Älichelangelok.
Mühsale
hIediceerg-räber.
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heldenmüthiger Anstrengung gegen das feindliche Geschick. Alle
Mussezeit verwandte er trotzdem auf die Arbeit für das Grabmal, und
wahrscheinlich verdanken sowohl der Moses wie die beiden Sclaven im
Louvre dieser Zeit ihre Entstehung. In den Gefesselten, die sich
schmerzvoll vergeblich gegen die Bande sträuben, klingt etwas von der
Stimmung eines gefesselten Prometheus an , und in dem jähzornig um
sich blickenden Moses mit dem lang herabwallenden Bart und der
Geberde mühsam zurückgehaltenen Auffahrens ist nicht minder die
Erregung des Künstlers selbst zum Ausdruck gekommen.
Um diese Zeit erfüllte die Rivalität Rafaels _und Michelangelos
die künstlerischen Kreise, und ganz Rom fühlte sich zu dem holden
Genius hingezogen, der nur zu bald durch jähen Tod der Erde ent-
rückt werden sollte. Michelangelo selbst mochte sich auf die Tafel-
rnalerei nicht einlassen, aber er unterstützte Sebastiano del Piombo,
einen geschickten Künstler der venezianischen Schule, der damals nach
Rom kam, mit Zeichnungen und Entwürfen, welche dieser in Farben
ausführte. So entstand 1519 die Auferweckung des Lazarus, die mit
der Transtiguration Rafaels im Wettkampf um die Palme höchster
Anerkennung rang, In demselben Jahre war fern in Frankreich Lionardo
da Vinci gestorben; bald darauf (1520) folgte Rafael ihm nach. Mit
diesen beiden Grossmeistern schliesst die Epoche der edelsten Hoch-
renaissance ab und der milde anmuthvolle Geist, der bis dahin die
Kiuist Italiens erfüllt hatte, erlischt. Michelangelo bleibt in einsamer
Grösse zurück und folgt immer unaufhaltsamer den Inspirationen seiner
schrankenlosen Silbjectivitiit. In diese Zeit fallt der Auftrag des Kar-
dinals Giulio de' Medici, nachmals Papst Clemens VII., bei S. Lorenzo
in Florenz eine Grabkapelle für die Familie Medici zu erbauen und
darin die Grabmäler von Lorenzo und Giuliano de' Medici zu errichten.
Im Jahre 1520 begann die Arbeit, die nach manchen Unterbrechungen
erst 1534 zu Stande kam. Auch hier schlagt Michelangelo völlig neue
Bahnen ein; die Architektur, welche früher bei solchen Denkmälern
eine grosse Rolle gespielt hatte, wird zur blossen Unterlage und Ein-
tassung der Plastik herabgesetzt, die mit ihren mächtigen Formen den
Eindruck beherrscht. Auf den Sarkophagen ruhen die Gestalten je
eines Mannes und eines Weibes, in denen man Tag und Nacht, Morgen-
und Abenddämmerung zu erkennen hat. Die gewaltigen Formen und
die kühnen Bewegungen sind nicht frei von übertreibendem Zwang;
die Symbolik verräth, wie fast immer bei Michelangelo, einen Zug sub-
jectiver Willkühr: dennoch ist der Eindruck von damonischcr Grösse,