Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

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Buch. 
Kapitel. 
Buonarroti. 
Michelangelo 
rakterisirt sind, erscheinen die Propheten als indiiferente alte Männer, 
mit langen Bärten. Betrachtet man nun, was Michelangelo aus diesen 
Prophetengestalten gemacht hat, so ist dies allein hinreichend, um 
die Tiefe seines Geistes zu bezeichnen. Nicht bloss durch den 
kolossalen Maassstab, sondern mehr noch durch die hervorragende 
Stellung, gab er ihnen eine solche Wucht der Erscheinung, dass sie 
sich als die idealen Träger der Decke manifestiren. Die Sibyllen, die 
er mit ihnen wechseln liess, hatte das Mittelalter als Verkünder des 
kommenden Messias bei den Heiden aufgefasst. War ursprünglich nur 
von einer Sibylle die Rede, von der die Sage berichtete, sie habe dem 
Kaiser Augustus die Erscheinung des neugebornen Christuskindes ge- 
zeigt, so entwickelte sich die Zahl bald bis auf zwölf. Michelangelo 
wählte davon fünf aus und fügte sieben Propheten hinzu. Wenn auch 
die Gründe seiner Auswahl uns nicht klar sind, wenn ohne Zweifel 
bei der Charakteristik der Einzelnen ein subjektives Moment mitspielt, 
wenn endlich bisweilen der kühne Flug seiner Phantasie ihn zu ge- 
suchten und gewaltsamen Motiven steigerte, so sind doch im Ganzen 
diese gewaltigen Gestalten von einer Erhabenheit, die uns mit Ehr- 
furcht und Bewunderung erfüllt. Alle Abstufungen des tiefen Ver- 
sunkenseins in ernste Betrachtung, der innigen Hingebung an die 
 göttliche Offenbarung, der stürmischen Erregung durch erhabene Visionen 
oder des gramvollen Brütens über unheilvolle Gesichts, das ist das 
geistige Leben, welches diese gewaltigen Wesen hoch über die Schranken 
des Irdischen hinaushebt.  
Wir beginnen die Betrachtung an der Altarwand mit dem Jonas. 
Es ist eine jugendliche Gestalt, fast unbekleidet, kühn auf dem Sitze 
znrückgelehnt, so dass schon die Zeitgenossen sie als ein Wunder per- 
spektivischer Kunst anstaunten. ADer Künstler hat den Walfisch an- 
gedeutet, der ihn eben wieder ausgespieen hat, und so scheint der 
Prophet mit erstauntem Blick das Licht des Himmels wieder zu be- 
grüssen, während er mit beiden in einander verschränkten Händen 
diese Bewegung charakteristisch begleitet. Zwei hübsche Engel sind 
ihm beigegeben. Pulst hier der Hauch eines neugewonnenen Lebens, 
so ist die benachbarte Prophetengestalt an der rechten Langseite das 
erhabenste Bild grübelnden Versunkenseins. In Gram verloren sitzt 
hier der greise Jeremias; ganz in sich zusammengesunken, die Beine 
über einander geschlagen, die breite Schulter wie von der Last des 
Kummers niedergedrückt. Und während die Linke thatlos im Schoosse 
liegt, stützt die Rechte, indem der Ellenbogen auf dem Knie ruht,
	        
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