Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

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Buch. 
Kapitel, 
Michelangelo 
Buonarroti. 
mit kräftig vertretenden Gesimsen sich zwischen den Stichkappen er- 
heben und dieselben durch ein Gesimse in Verbindung treten, welches 
wie ein grosser Rahmen den eigentlichen Spiegel des Gewölbes um- 
zieht. Querbänder spannen sich von den Postamenten aus über die 
Fläche, dieselbe in abwechselnd schmalere und breitere Felder theilend. 
Die schmaleren erhalten noch dadurch eine weitere Beschränkung, dass 
auf beiden Seiten Medaillons angeordnet sind. So entstanden abwech- 
selnd fünf kleinere und vier grössere Bildflächen, welche als Haupt- 
inhalt des Ganzen die Geschichten der Genesis enthalten. Fünf 
Scenen erzählen die Schöpfung, zuerst der Welt, dann des Menschen. 
Es folgen Sündenfall und Vertreibung aus dem Paradiese, dann NoahÄs 
Opfer, die Sündiluth und Noahs Trunkenheit. Den Anachronismus 
in dieser Anordnung hat der Meister sich nur deshalb erlaubt, weil er 
das grössere Feld für die Sündfluth brauchte. 
Auf die zwölf grossen Bogenzwickel, welche zwischen den Stich- 
kappen den Spiegel des Gewölbes emporhalten, setzte Michelangelo 
die Riesengestalten seiner Propheten und Sibyllen: jene für das Juden- 
thum, diese nach mittelalterlicher Ansicht für das Heidenthum die 
Verkündiger des Messias. Und zwar sind es an den Langseiten je 
fünf, jedesmal ein Prophet mit einer Sibylle wechselnd und auf der 
entgegengesetzten Seite in umgekehrter Anordnung, so dass es fünf 
von beiden sind. Dazu kommen aber noch zwei Propheten an den 
Schmalseiten, also im Ganzen sieben gegen fünf Sibyllen. Endlich 
blieben noch über jedem Fenster die Stichkappen und die Schildbogen 
der Wände. In diese vertheilte Michelangelo die Gruppen der Vor- 
fahren Christi, deren er im Ganzen sechsunddreissig erhielt. Auch 
dies war ein Nachklang des Mittelalters, welches den Stammbaum 
Christi, oder die Wurzel Jesse oft in umfangreicher Weise dar- 
stellt. Eins der merkwürdigsten Beispiele besitzt die Michaelskirche 
zu Hildesheim in der gemalten Holzdecke des Mittelschiffs aus dem 
dreizehnten Jahrhundert. Aber während dort schlichte typische Ge- 
stalten, in streng architektonischer Gebundenheit sich aneinander reihen, 
hat Michelangelo das alte traditionelle Motiv zu herrlichen, freien 
Gruppen umgebildet. Endlich in den vier Ecken der Kapelle, wo die 
zusammenstossenden Gewölbkappen vier grössere Bildflachen boten, hat 
er vier Errettungen des Volkes Israel als Vorbilder für das Erlösungs- 
Werk Christi dargestellt: die eherne Schlange, Esther, Judith und 
David. Zu diesem unermesslichen Reichthum an Gestalten fügte aber 
schliesslich der Meister in staunenswerther Erfindungskraft noch eine
	        
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