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Buon arroti.
Michelangelo
wir eben so viele aus dem Leben Christi (sub gratia). Aber damit
schloss dieser grossartige Cyclus noch nicht ab. Die Tapeten ltafaels,
ehemals an den unteren Wandilächeil, knüpfen mit Darstellungen aus
der Apostelgeschichte unmittelbar an. Sie schildern die Wunder-
thaten der Apostelfürsten Petrus und Paulus und den Tod des ersten
Märtyrers Stephanus, also Entstehung und Wirken der Kirche Christi,
die Verbreitung seiner Lehre und die Besiegelung derselben durch das
Martyrium der Blutzeugen. Die zu den Tapeten gehörigen Sockel-
bilder endlich mit ihren Scenen aus dem Leben Leo's X. führten den
gewaltigen Cyclus bis in die unmittelbare Gegenwart herab. Der ganze
Kreis sollte aber durch zwei Kolossalbilder eingerahmt werden: an der
Altarwand durch das jüngste Gericht, die ergreifende Darstellung der
letzten Dinge, und gegenüber an der Eingangswand Lucifer's Em-
pörung und Sturz, d. h. den Anfang der geschichtlichen Entwicklung
durch das Auftreten des bösen Prinzips, dessen Kampf mit dem Guten
die treibende Macht der Weltgeschichte geworden ist.
Die Meister des fünfzehnten Jahrhunderts hatten in ihren Wand-
bildcrn sich streng an den typologischen Zusammenhang gehalten. Das
erste Bild links schildert Moses auf der Reise nach Aegypten mit seiner
Frau Zipora, die auf Gottes Befehl ihren Sohn beschneidet. Gegenüber
sieht man die Taufe Christi im Jordan. Das zweite Bild fasst mehrere
Thaten Mosis vor seiner Entweichung aus Aegypten zusammen, nament-
lich die Erscheinung Gottes im feurigen Dornbusch, die also dem ersten
Bilde Vorauf gehen müssten. Dieser Anachronismus erklärt sich aus
dem Gegenüber, wo Christus in der Wüste die Versuchung des Teufels
abweist und den einzig wahren Gott bekennt. Zu Gunsten dieser
wichtigeren Reihenfolge hat man also auf der anderen Seite die historische
Crdnung umgekehrt. Im dritten Bild wird der Untergang Pharads
im rothen Meer und die Errettung des auserwählten Volkes geschildert.
Auf, dem entsprechenden Bilde der anderen Seite werden Petrus und
Andreas von Christus auserlesen und zu seiner Nachfolge berufen. Das
vierte Bild erzählt, wie Moses auf dem Sinai die Gesetzestafeln empfängt.
Gegenüber die Bergpredigt Christi. Auf dem fünften Bilde sieht man
den Untergang der Rotte Korah und die Vernichtung der Söhne Arons,
weil sie unberufen geopfert hatten. Wird hier das priesterliche Amt
durch Gottes Eingreifen geschützt, so beruft auf dem Bilde gegenüber
Christus den Petrus zum Schlüsselamt. Auf dem letzten Bilde ist der
Abschied Mosis vom Leben, gegenüber Christi Abschied von seinen
Jüngern bei Einsetzung des Abendmahls geschildert. Die Eingangs-