Berufung
durch
Julius
Um diese Zeit hatte Julius II. den päpstlichen Stuhl bestiegen
(1503). Dieser gewaltige Greis, obwohl von politischen Sorgen und
kriegerischen Unternehmungen überhäuft, dachte mit dem grossen Sinn,
der ihn auszeichnete, ebenso eifrig an eine Verherrlichung des Papst-
thums durch Werke der bildenden Künste. Die ersten Architekten
der Zeit, Bramante und den ältern Giuliano da San Galle, hatte er
für seine Bauten berufen; letzterer machte ihn auf Michelangelo auf-
merksam, wie durch des ersteren Verwendung dann später Rafael
herangezogen wurde. Michelangelo liess Alles im Stich und eilte nach
Rom (März 1505). Der Papst dachte daran, sich bei Lebzeiten durch
die Kunst Michelangelds, der damals schon für den ersten Bildhauer
der Welt galt, sein Grabmal errichten zu lassen. Die Grossartigkeit
der Entwürfe, welche dieser vorlegte, entzückte den Papst, der den
Künstler fragte: Wieviel wird die Sache kosten? Die Antwort war:
Hunderttausend Scudi. Sagen wir zweihunderttausend, entgegnete der
Papst, und damit war der Plan genehmigt. Schon im April weilt
Michelangelo in Carrara, wo er acht Monate sich aufhält, um die Be-
schaffung der ungeheuren Marmormassen zu betreiben. Den Winter
verbrachte Michelangelo in Florenz mit Arbeiten an seinem Karton,
und im Frühjahr kehrte er nach Rom zurück, um die ungeheuren
Massen der Marmorblöcke, welche die Römer mit Staunen betrach-
teten, in seine Werkstatt bei St. Peter bringen zu lassen. Der Papst
besuchte ihn öfter bei der Arbeit und betrieb mit allem Eifer das
grosse Werk. Im Mai war Michelangelo schon wieder in Carrara, um
weitere Blöcke herbeizuschatfen.
Nach so vielversprechendem Anfange hatte man ein Werk er-
warten dürfen, das durch grandiose Anlage und Ausführung alles Frühere
in Schatten gestellt hatte. Wie riesig die Üonception war, erkennen
wir nur noch an der Kolossalgestalt des sitzenden Moses, welche an
dem später in verkrüppelter Form ausgeführten Grabmal in S. Pietro
in vincoli alles Andre so gewaltig überragt. Es ist ein Bild heroischer
Thatkraft, die wie in mühsam verhaltener Leidenschaft die Gestalt
durchzittert. Michelangelo hatte ihn in eigenthümlicher Symbolik als
Vertreter des thatigen Lebens gedacht. In ähnlicher Bedeutung wurden
auch die Statuen der Rahel und Lea als Ausdruck des thätigen und
beschaulichen Lebens angebracht und man sieht hier wieder, wie sub-
jektiv, wie frei von der Tradition gelöst der Gedankeninhalt war,
welchen dieser hochoriginale Geist seinen Gebilden einhauchte. Ausser-
dem sollten den Unterbau eine Anzahl männlicher und weiblicher