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Buch.
Kapitel;
Michelan gelo
Buunarroti.
im Laufe von drei Jahren zu Stande, da die Aufgabe ihm offenbar
wenig zusagte, denn schon damals ging seine Kunst nicht wie die
Lionardds auf die Ausprägung und Durchbildung mannichfaltiger Cha-
raktertypen, sondern vielmehr auf ein allgemeines Ideal des Hohen und
Gewaltigen aus. Auch reizte ihn offenbar weit mehr eine andere Be-
stellung, welche um dieselbe Zeit ihm zu Theil ward. Die Doinver-
waltung trug ihm nämlich auf, aus einem verhauenen und liegengeblie-
benen Marmorblock eine gigantische Figur Davids mit der Schleuder
zu schaffen. Keiner hatte sich getraut, eine solche Aufgabe zu über-
nehmen; um so mehr reizte es Michelangelo, darauf einzugehen, der
am liebsten mit seiner Heldenkraft da einsprang, wo alle Andern ver-
zagt zurücktraten. _S0 entstand der titanenhaft gewaltige Hirtenknabe,
der so lange am Eingang des Palazzo Vecchio Wacht gehalten hat.
Im Anfang des Jahres 1504 war das Werk, für welches Michelangelo
vierhundertzwanzig Goldgulden erhielt, vollendet. Eine Versammlung
der ausgezeichnetsten Künstler wurde berufen, um über die Aufstellung
des Werkes zu berathen, und am 18. Mai war die schwierige Auf-
stellung vollendet. In neuester Zeit (1873) wurde wegen der stark vor-
geschrittenen Verwitterung der Statue ihre Uebertragung in die Aka-
demie bewerkstelligt.
Michelangelds Ruhm stieg durch dieses, von den Zeitgenossen
auf's Höchste bewunderte Werk so hoch, dass die Aufträge sich bei
ihm drängten. Zunächst hatte er eine andere Statue des David in Erz
zu giessen, welche die Signoria dem Könige von Frankreich schenkte,
die aber später verschollen ist. Dann hatte er für den Dom von Florenz
zwölf Marmorstatuen der Apostel auszuführen, von welchen aber nur
die jetzt im Hofe der Akademie stehende, nicht einmal vollendete Figur
des Matthäus in Angriff genommen wurde. Um diese Zeit schuf er
auch für Angelo Doni das Rundbild der h. Familie, welches sich jetzt
in der Tribuna der Uffizien befindet (Fig. 13). Die Madonna kniet
am Boden in einer ziemlich unbequemen, fast verdrehten Stellung und
greift mit beiden Armen über ihre rechte Schulter hinauf nach dem
Christuskinde, das der hinter ihr sitzende greise Joseph ihr darreicht.
Auch hier hat die Madonna nichts von dem jungfräulichen Liebreiz
oder der mütterlichen Huld, welche sonst die italienischen Meister ihr
gaben. Sie ist eine der herben heroischen Gestalten aus dem Geschlecht,
welches später die Sibyllen hervorbringen sollte; nur die Bewegung
nach dem Kinde giebt ihr einen kleinen Hauch mütterlicher Innigkeit.
Wie ilngleich empündungs- und schönheitsvoller namentlich Lionardo