Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 2)

Michelangelds 
Geburt und 
Kindheit. 
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übergeben ward. Daher pflegte Michelangelo später zu sagen, seine 
Vorliebe für die Bildhauerei sei nicht zu verwundern, denn er habe 
sie mit der Ammenmilch eingesogen. Kräftig wuchs der Knabe in der 
ländlichen Umgebung heran, und da sich zugleich in ihm früh ein 
lebendiger Geist regte, wollte der Vater aus ihm einen Gelehrten 
machen und übergab ihn einem Schulmeister F rancesco aus Urbino, 
der damals zu Florenz Unterricht in der Grammatik ertheilte. Aber 
diese Studien fesselten ihn wenig, dagegen zeichnete er was ihm in 
den Wurf kam und hielt sich am liebsten in den Werkstätten der 
Künstler auf, wo er besonders in dem liebenswürdigen fünf Jahre 
älteren Francesco Granacci einen Freund gewann. Vergeblich suchte 
der Vater durch Ermahnungen, ja durch Schläge ihn davon abzubringen, 
der Hang zur Kunst war_ so mächtig in dem Knaben, dass der Vater 
endlich ihm nachgab und ihn zum bedeutendsten Maler der Stadt, zu 
Domenico Ghirlandajo in die Lehre brachte. Spät genug nach den 
Anschauungen der damaligen Zeit, am 1. April 1489, trat der vierzehn- 
jährige Michelangelo in die Werkstatt ein. Drei Lehrjahre wurden 
festgesetzt und dem Vater als Entgelt 24 Gulden bestimmt. Mit wel- 
chem Feuer mag der junge Kunstschüler sich nun dem ersehnten 
Berufe gewidmet haben! Ghirlandajo war damals grade an den Fresken 
im Chor von Sta. Maria Novella (I S. 338  beschäftigt. Es war die 
beste Schule für Michelangelo, sich mit dem lebensvollen Stil monu- 
mentaler Freskomalerei vertraut zu machen. Bot doch Florenz damals 
in seinen Kirchen, Kapellen, Sakristeien, Kapitelhäusern eine unabseh- 
bare Fülle solcher Schöpfungen, in denen von Giotto bis auf Ghirlandajo 
die Kunst ihr Höchstes versucht und gegeben hatte. Am meisten fes- 
selten ihn, wie die ganze heranwachsende Generation, die gewaltigen 
Werke Masaccids im Carmine (I S. 292 , vor welchen er immer 
auf's Neue zeichnete. Aber auch die herbe Natur-Wahrheit und die 
tiefsinnige Phantastik der nordischen Kunst erschienen ihm bedeutend 
genug, um sie genauer zu studiren. Als er einst von Granacci den 
bekannten Stich Martin Schön's, die Versuchung des h. Antonius erhalten 
hatte, bemühte er sich ihn in einem Gemälde nachzubilden. Um aber 
die Farben der sehuppigen Ungeheuer, die den Heiligen bedrängen, 
möglichst natürlich herauszubringen, studirte er auf dem Markte mit 
Eifer die Schuppen und Flossen der verschiedenen Fische und brachte 
ein lÄTeTk Zll Stande, das Jedermann bewunderte. 
Indem er in solcher Weise unablässig seinen Studien oblag, maehte 
Michelangelo so rasche Fortschritte, dass er bald alle seine Mitschüler,
	        
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