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Buch.
Die Frührenaissance.
künstlerischen Leben bewirkt worden. Und auch hier erscheint es
geradezu providentiell, dass Antonello Venedig zu seinem Sitz wählte,
dessen Malerei in ihrem Streben nach höchster Pracht und packender
Wirklichkeit längst schon unbewusst einer solchen technischen Vollen-
dung die Bahn geebnet hatte. Jedenfalls wäre diese Neuerung für
die geisterfüllte historische Kunst Toskanafs, die am besten in grossen
cyclischen Monumentalwerken und in der breiten Darstellungsweise
des Freskds ihre Gedanken aussprach, nicht von solcher Bedeutung
gewesen.
An dem Meister selbst aber, der diesen Umschwung hervor-
gerufen hatte, sollte sich in rückwirkender Kraft der Einfluss einer
mächtigen künstlerischen Tradition, wie sie sich in Venedig vorfand,
nicht minder umgestaltend erweisen. Seine früheren Werke athmen
den flandrischen Realismus in ganzer Herbigkeit, in der Unschönheit
seiner Typen, der fast plebejischen Formbildung, der bis zur Grimasse
gesteigerten Heftigkeit des Ausdrucks. In Venedig vermochte er sich
bei längerem Verweilen der edlen Kunst eines Giovanni Bellini nicht
zu entziehen, ja selbst in der Technik wirkte die Weise des grossen
venezianischen Meisters merklich auf ihn zurück.
Das frühste Werk Antonellds, welches wir kennen, ist der Christus-
kopf von 1465 in der Nationalgalerie von London. Die rechte Hand
zum Segnen erhebend, legt der Erlöser die linke auf eine Brüstung,
hinter welcher er nach venezianischer Gewohnheit dargestellt ist, wäh-
rend der Blick sich geradeaus richtet. Die Behandlung ist merkwürdig
breit und frei, das in der Mitte gescheitelte Haar lliesst in lichten
Ringellocken herab, das Kolorit ist von grosser Tiefe mit bräunlichen
Schatten im Fleisch, welches goldig leuchtet auf dunkelbraunem Grunde.
Keinerlei kleinliches Detail stört die Wirkung, doch erkennt man, zum
Theil durch sichtbar gewordene Pentimenti, dass die Zeichnung der
Hände dem Künstler grosse Mühe gemacht hat. Der Typus des Kopfes
hat entschieden mehr Italianisches als Flandrisches; ohne höhere Idealität
wirkt er doch ergreifend durch feierlichen Ernst des Ausdrucks. Auf
einem gemalten Zettelchen gibt der Künstler die Jahrzahl und seinen
Namen „Antonellus Messaneus" an. Ein Brustbild des leidenden Christus
vom Jahr 1470 glaubt man in einem Bilde der Sammlung Zir in
Neapel wiederzuünden, welches trotz starker Beschädigungen den
llandrischen Realismus besonders stark verrathen soll. Dann folgt ein
mehrtheiliges Altarwerk vom Jahr 1473 in S. Gregorio zu Messina,
ebenfalls mit dem Namen des Meisters bezeichnet. Es enthält die