Zehntes
Kapitel.
Die
Malerei
in
Unteritalien.
Unteritalien hat von jeher dem geistigen Leben des übrigen
Landes fern gestanden. Eine selbständige künstlerische Entwicklung
hat im ganzen Mittelalter dort sich nicht Bahn brechen können. Das
Land war durch seine geographische Lage den verschiedensten fremden
Invasionen ausgesetzt, die schon im frühen Alterthume es mit einem
Gürtel griechischer Colonien umgaben und es im gesammten Kultur-
leben zu einem Tochterlande von Hellas machten. Während sodann im
Mittelalter das nördliche und mittlere Italien "eine starke Beimischung
germanischer Elemente erfuhr und dadurch jene kräftigere Eigenthüm-
lichkeit erhielt, aus welcher eine Erneuerung der staatlichen Zustände
und! der gesammten Civilisation hervorging, blieb Unteritalien fast völlig
frei von fremden Zusätzen. Begünstigt von der Ueppigkeit der Natur,
die dem Menschen verschwenderisch ihre Gaben in den Schooss Wirft,
verfiel der Volksgeist einer weichlichen Erschlaffung und liess, wie im
politischen Leben, so auch in der gesammten Kultur fremde Herrschaft
und ausländische Einflüsse ziemlich passiv über sich ergehen. Doch
war während der gothischen Epoche der glänzende Hof der Anjou
kunstliebend genug, um das Bedürfniss nach monumentalen Schöpfungen
zu empfinden, und wir haben gesehen, dass die ersten Künstler der
Zeit, ein Giotto und Simone di Martino, zu bedeutenden Arbeiten
berufen wurden. Nicht spurlos ging diese fremde Wirksamkeit an den
Einheimischen vorüber. Der ausgezeichnete Meister der Fresken in
der Incoronata war vermuthlich ein Eingeborner, und auch sonst
mögen einheimische Kräfte mannigfach dort sich bethätigt haben.
Dennoch war der geistige Antrieb nicht kräftig genug, um, eine wirk-
liche Schule hervorzurufen. Daher finden wir denn immer wieder
fremde Künstler beschäftigt, so 1371 jenen Nikolaus Tommasi, welcher