Kapitel.
Venedig.
Schule
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erscheinen. Eins der schönsten Werke dieser Art von duftiger Weich-
heit und zart verschmolzener Modellirung der rundlichen Formen ist
die Madonna der Nationalgalerie zu London, welche das auf ihrem
Schoosse schlafende Kind anbetet. Der Ausdruck glückseliger Frömmig-
keit in der Madonna, die zauberische Lieblichkeit des schlummernden
Kindes, die friedliche lldylle des landschaftlichen Hintergrundes, in
welchem man Hirten mit ihren Herden und andere kleine Figürchen
erblickt, während eine thürmereiche Burg den nahen Hügel krönt und
ferne Schneegebirge den Horizont begrenzen, macht aus diesem köst-
lichen Bild eine Perle venezianischer Kunst. Ein Christuskopf von
1517, wiederum mit dem Namen des Künstlers bezeichnet, in der
Galerie zu Bergamo verräth in dem bleichen Kolorit, dass das Bild
nicht unberührt geblieben ist. Auch ein männliches Brustbild derselben
Sammlung hat durch Restauration gelitten. Zu den tiichtigeren Werken
dieser späteren Zeit gehört das grosse Bild der Himmelfahrt Mariä, in
S. Pietro auf Murano, durch starke Anlehnung an Giovanni Bellini
und schöne Landschaft bemerkenswerth. Ein recht gutes, in feinem
Silberton durchgeführtes Bild der Madonna besitzt die Galerie zu
Stuttgart unter dem Namen Giovanni Bellinfs (Nr. 69), ein anderes
ebendort unter Nr. 77 ist für Basaiti zu schwach und ein drittes
(Nr. 134) in so üblem Zustande, dass es sich der Beurtheilung ent-
zieht. Die letzten Arbeiten des Künstlers, der h. Georg zu Pferde
und der thronende Petrus zwischen vier Heiligen, beide in S. Pietro
di Castello zu Venedig, tragen die Jahrzahl 1520. Namentlich das
erstere verräth wiederum starke Anlehnung an Carpaccio.
Ein ähnliches Schwanken zwischen den Einflüssen der bedeuten-
deren Meister, namentlich Bellinfs, Cimafs und Carpaccids, verräth
Andrea Previtalz", der sich auch Cordelleagi nennt oder schlechtweg als
Bergamaske sich "Andreas Bergomensis" bezeichnet. Auf verschie-
denen seiner Bilder nennt er sich einen Schüler Giovanni Bellinfs, und
es ist kein Zweifel, dass er bei diesem seine Lehrzeit durchgemacht
hat, ehe er sich um 1515 in Bergamo niederliess. Dort haben dann
auch Einflüsse Lotto's ihn gestreift und selbst die weiche Kunst Palma's
ist nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Sein frühestes nachweis-
bares Werk von 1502, eine Madonna mit dem Kinde und einem
knieenden Stifter, befindet sich in der Sammlung Cavalli zu Padua;
dann folgt eine Reihe von Arbeiten, die nicht immer mit Bestimmtheit
auf ihn zurückgeführt werden können, weil sie meistens unter Giovanni
Bellini's Namen gehen. Ohne Frage hat damals Previtali in der