IX. Kapitel.
Die
VOTI
Schule
Venedig.
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modernsten Realismus völlig in's Genrehafte übersetzt, und die beiden
Fischer sowie die den Heiland begleitenden Apostel Petrus und An-
dreas sind jeglicher traditionell historischen Auffassung entkleidet, als
gewöhnliche venezianische Marinari jener Zeit charakterisirt. Ünd
zwar zeigt der Künstler hier eine lebendige Frische in der Auffassung
des niederen Lebens, die ohne Frage dem Einfluss des Carpaccio an-
zurechnen ist. Das Genrehafte wird dadurch noch gesteigert, dass ein
Fischerknabe im Vordergrunde sich von seiner Angel wendet und dem
Vorgang zuschaut und dass sämmtliche Figuren im kleinen Maassstabe
nur als Staffage für eine überaus anmuthige Gebirgslandschaft dienen.
Die zierliche Feinheit der Ausführung erinnert an Handrische Meister.
Dieselbe Composition hat der Künstler noch einmal 1515, nur umge-
kehrt, wiederholt (Fig. 158) und das Bild mit einem antiken Portal-
bogen eingefasst, an dessen Säulen, zum Theil in wunderlicher Ver-
renkung, zwei nackte Männerfiguren sich anklammern, die in nicht
sehr geschmackvoller Weise von dem Studium des Nackten Zeugniss
ablegen sollen. Das interessante Bild befindet sich im Belvedere zu
Wien. Um dabei so recht den Gegensatz historischer und genrehafter
Darstellung zu empfinden, vergleiche man Ghirlandajds und Peruginds
Fresken aus der Sixtinischen Kapelle Fig. 104 und 128.
Wir verzeichnen ferner eine das Kind anbetende Madonna in der
Galerie zu Padua, eine Darstellung des Ecce homo in der Ambrosiana
zu Mailand und einen h. Sebastian mit schöner Landschaft in der
Sakristei der Salute zu Venedig, der sich in Wiederholungen in der
Galerie Doria zu Rom und im Museum zu Berlin nachweisen lässt.
In der Bewegung etwas befangen, zeichnet er sich durch warme Fär-
bung und weiche Verschmolzenheit der Töne aus. Fein und duftig
ist auch im Museum zu Berlin eine Altartafel in vier Abtheilungen
mit der thronenden Madonna zwischen der h. Anna und Veronica, in
der unteren Abtheilung Johannes d. T. zwischen Hieronymus und
Franziskus. Die in einem kühlen Ton durchgeführten Gestalten heben
sich frei von der Luft ab, während der Hintergrund eineLandschaft
bildet. Mehrmals hat der Künstler den h. Hieronymus dargestellt;
eines dieser Bilder sieht man in der Akademie zu Venedig, ein an-
deres in der Nationalgalerie zu London, auch hier wiederum der
Heilige nur Staffage in einer miniaturartig ausgeführten Landschaft,
deren reiche Felsformation auf's Neue beweist, dass die Landschaften
Cima's auf Basaiti eingewirkt haben.
In den späteren Werken des Künstlers tritt ein völliger Um-