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Buch.
Die Frührenaissance.
er in einer für uns unverständlichen Weise allegorische Scenen in jenem
naiven novellistischen Stil ausgeführt hat, den wir bei Florentinern wie
Botticelli und Benozzo antreffen. Wahrscheinlich haben sie ursprüng-
lich zur Ausstattung eines Möbels, einer Brauttruhe oder dgl. gedient.
Bedeutender ist aus seiner letzten Zeit das köstliche für Alfonso von
Ferrara gemalte Bacchanal, jetzt zu Alnwick in der Sammlung des
Herzogs von Northumberland. Es ist eine sinnlich heitere Schilderung
des freien Behagens einer von den Fesseln der Etikette losgebundenen
Menschheit, in prächtigem glühendem Kolorit und in hochpoetischer
Landschaft, deren stolze Laubkronen die Scene traulich einschliessen.
Man merkt diesem herrlichen Werke nicht an, dass ein Aehtundachtzig-
jähriger es geschaffen (1514). In der That hat Bellini es nicht ganz
vollendet und erst sein grosser Schüler Tizian hat die letzte Hand
daran gelegt. Dennoch ünden wir sogar aus dem folgenden Jahr 1515
im Belvedere zu Wien noch ein Bild des Meisters, welches unter der
Bezeichnung einer Venus eine junge schöne Frau bei der Toilette sich _
die Haare ordnend darstellt, leider jetzt, wie so viele der ehemals
herrlichen venezianischen Bilder derselben Sammlung, durch gewissen-
loses Restauriren nur noch die Leiche eines Bildes. Wie sehr auch
solche Werke des Meisters geschätzt wurden, geht aus den unablässi-
gen Versuchen der Markgräfin Isabella von Mantua hervor, von ihm
für ihr Kabinet ein Seitenstück zu den Bildern Mantegna's und Peru-
gino's zu erhalten. Obwohl sie durch Pietro Bembo und andre einfluss-
reiche Männer dem Künstler eifrig zusetzen liess, so dass dieser ihr
endlich eine „Geburt Christi" sandte und sie auf Weiteres vertröstete,
scheint ihr Wunsch doch unerfüllt geblieben zu sein.
Als Giovanni Bellini 1516 im Alter von neunzig Jahren hinschied,
schloss sich ein Künstlerleben, wie es in so unverwüstlicher sittlicher
Kraft unablässigen Ringens und Strebens zu den seltensten Erschei-
nungen der Kunstgeschichte gehört.
Sein älterer Bruder Gentüe Bellini (1421-1507) machte unter
der Leitung seines Vaters einen ähnlichen Entwickelungsgang durch,
in welchem wiederum die bedeutende Einwirkung der paduanischen
Kunst und später der Einfluss des Antonello von Messina epochemachende
Einschnitte bilden. Aber eine wesentlich verschiedene Geistesrichtung
führte ihn mehr zu weltlich historischen Darstellungen als zu Andachts-
bildern, und so vertritt er in seinem Schaffen jene andere Seite der
venezianischen Kunst, welche sich der Schilderung der Wirklichkeit
widmete. Zwar sind auch seine Historienbilder im Dogenpalast zu