Kapitel.
Venedig.
Schule von
Die
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bedeutend. Was Bellini schon früh in der Transiigtiration zu Neapel
versuchte, das selbständige Betonen der Landschaft, das tritt hier in
voller Reife vor uns hin. Werke dieser Art bilden den Ausgangspunkt
für Tizian's herrliche Landschaftsgründe, von denen einer der schönsten
auf dem untergegangenen Petrus Martyr dieses Meisters zu sehen war.
Vielleicht ging den Venezianern desshalb zuerst die poetische Stimmung
und selbständige Bedeutung der Landschaft auf, weil sie, zwischen ihren
Kanälen und Häusermassen eingeschlossen, die freie Natur mehr als
Andere entbehren mussten.
Von den grossen historischen Bildern, welche Giovanni mit seinem
Bruder und anderen Künstlern im Rathsaal des Dogenpalastes ausge-
führt hat, ist durch den verhängnissvollen Brand keine Spur übrig
geblieben. Wir können daher nicht ermessen, welche Bedeutung der
Künstler im Gebiete erzählender Darstellung besass. Seine erste Be-
rufung als Maler des Staates erfolgte 1479 zugleich unter der Anwart-
schaft auf den Maklerposten (Senseria) im Kaufhause der Deutschen.
Die Ausführung jener grossen Bilder zog sich indess durch den ganzen
Rest seines Lebens hin, da man rücksichtsvoll genug war gegen den
ausgezeichneten Meister, um ihm die Uebernahme anderer Aufträge
nicht zu erschweren. Einstweilen erhielt er seit 1480 einen Jahresgehalt
von 70 Dukaten, wurde drei Jahre darauf zum offiziellen Staatsmaler
ernannt und von den Abgaben an die Malerzunft befreit. Es gehörte
mit zu seinen Obliegenheiten, das Bildniss des jedesmaligen Dogen für
den Palast zu malen, und so entstand zunächst das Profilporträf des
Giovanni Mooenigo, jetzt in der Sammlung Üorrer, zwar von kräftig
warmer Färbung, aber noch etwas gebunden in der Auffassung. Üngleich
bedeutender ist das Bildniss des Lionardo Loredano, jetzt in der N ati0nal-
galerie zu London, ein Meisterwerk in einfach grossartiger Auffassung
der Natur, voll sprechenden Lebens bei scharfer Charakteristik, die
Durchführung von vollendeter Feinheit in tiefglühendem Kolorit. Lei-
der besitzen wir ausserdem wenig ächte Proben von der Porträtkunst
des Meisters, namentlich sind die Selbstbildnisse, welche man auf ihn
zurückfiihrt, wenig beglaubigt. Am zuverlässigsten noch erscheinen die-
jenigen in den Uffizien und in der Sammlung des Capitols zu Rom.
Obwohl alle diese kirchlichen und profanen öffentlichen Aufgaben
ihn fast ausschliesslich beschäftigten, besitzen wir doch einige Bilder
aus seiner späteren Lebensepoche, in welchen er der allegorisch-mytho-
logischen Auffassung der Zeit seinen Tribut zollt. Dahin gehören zu-
nächst fünf kleine Tafeln in der Akademie zu Venedig, auf welchen