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Buch.
Die Frührenaissgnce.
Kirchenstücke. Schon Jacopo Bellini hatte solche kleinere Tafeln
geschaffen, aber erst Giovanni giebt ihnen die Vollendung, indem er
namentlich zumeist durch landschaftliche Hintergründe den idyllischen
Charakter solcher Familienscenen betont. Auch die Florentiner hatten
seit Fra Filippo diese Art privater Andachtsbilder gepflegt, aber bei
ihnen nahmen dieselben gern die runde Medaillonform an, die bei den
Venezianern, wie es scheint, nicht vorkommt. Sodann ist ein bemerkens-
Werther Unterschied, dass namentlich bei Fra Filippo, aber auch bei
den übrigen Florentinern, die Madonna häufig von dem zart schüch-
ternen, fast noch kindlichen Wesen der Jungfrau durchhaucht ist, wäh-
rend Bellini stets den fraulichen Charakter der Muttier hervorhebt.
Auch von jener innigen Zärtlichkeit, mit welcher sonst wohl die
Gottesmutter sich zu ihrem Kinde wendet, ist bei ihm kaum ein leiser
Anklang zu spüren. Vielmehr halt sie das vor ihr meist auf einer
Marmorbrüstung stehende oder auf einem Kissen sitzende Kind in völlig
ruhigem Ausdruck, der manchmal an Theilnahmlosigkeit grenzt, vor
sich, wie wenn es ihr nur zur Wartung anvertraut wäre. Keine Frage,
hier ist ein letzter Rest jener kirchlichen Weihe und Feierlichkeit,
Welcher die Gottesmutter gleichsam nur als ein weiblicher Christophoros
(Christusträger) erscheint. Diese merkwürdige Gelassenheit, die allein
schon den Bellini'schen Madonnen etwas Vornehmes giebt, gegenüber
dem mehr bürgerlich gemüthlichen Charakter der Florentiner, geht
dann auch auf die begleitenden Heiligen über, wo solche angebracht
sind, so dass von den lebendigeren Beziehungen, in welche die Floren-
tiner, namentlich ein Botticelli und Ghirlandajo, die Gestalten setzen,
hier nicht die Rede ist. Aber nach Ueberwindung der früheren herben
und selbst harten Formgebung erreicht der Meister bald, durch Anto-
nello's Anregung auf die neue Malweise hingewiesen, einen Schmelz
des Kolorits, eine Harmonie der Töne und eine Weichheit in Form
und Ausdruck, dass allein schon durch diese gleichsam musikalische
Stimmung, im Gegensatz zu der mehr plastischen der Paduaner und
selbst der Florentiner, seinen Madonnendarstellungen der Zauber rein
menschlicher Hoheit und Anmuth verliehen wird.
Zu den früheren dieser Bilder gehört eine Madonna in der Aka-
demie zu Venedig, aus der Galerie Üontarini, welche das vor ihr
stehende Kind an sich drückt: noch ungemein hart und mühsam in
der Ausführung, ohne malerischen Reiz. Verwandter Art in ähnlicher
Anordnung ist das Bild des Museums zu Berlin, Nr. 11-, Welches
ebenfalls noch etwas Steifes und Befangenes in Haltung und Behand-