Kapitel.
Venedig.
Schule von
Die
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mag dem Wttore Crivelli zuzuschreiben sein, von welchem u. A. die
Brera einige Altarbilder besitzt. Auch Pietro Alemanno, von welchem
man in der Sammlung Barker zu London ein bezeichnetes Bild sieht,
ist ein unbedeutender Nachfolger Crivelli's.
Während die Vivarini und Crivelli bei ihrer Aufnahme der neuen
Kunstrichtung sich einer alterthümlichen Befangenheit und Herbigkeit
nicht ganz zu entäussern vermochten, erhob sich nun aus der kunst-
begabten Familie der Bellini ein Meister, der viel tiefer und nach-
drücklicher den Geist der neuen Zeit erfasste und die naturalistischen
Tendenzen mit dem vollen Ernst einer hohen Anschauung zu ver-
schmelzen wusste. Ihm fiel daher die unbestrittene Führerschaft zu,
und er erhob in einem langen Leben voll energischer, consequenter
künstlerischer Arbeit die venezianische Kunst zu der Freiheit, kraft
welcher sie das Höchste zu erreichen vermochte. Giovanni Bellini
war als der jüngere Sohn des uns schon bekannten Jacopo Bellini
(vgl. S. 219) im Jahr 1426 geboren. In seine Jugendjahre fiel der
Aufenthalt seines Vaters in Padua, wo damals aus Squarcione's Schule
die frühreife Kunst Mantegna's mit wundergleicher Energie emporzu-
steigen begann. Giovanni sowie sein um einige Jahre älterer Bruder
Gentile schlossen sich dem etwas jüngeren Kunstgenossen um so näher
an, als dieser durch die Heirath mit ihrer Schwester Nicolosia sich
ihnen verschwägerte. Während nun Jacopo Bellini's Kunstweise anüng
auf den Stil Mantegna's fortbildend zu Wirken, bemerkt man an den
frühesten Arbeiten Giovannfs, wie mächtig der Einfluss der herben
plastischen Kraft der Paduaner sich bei ihm geltend machte. S0
kommt es, dass seine frühesten Arbeiten nicht selten unter dem Namen
Mantegna's sich verstecken. Dies gilt namentlich von einer Anzahl
früher Bilder, in welchen das bei der oberitalienischen Kunst beliebte
Thema des leidenden Erlösers behandelt wird. Dahin gehört das fast
abstossend strenge Bild eines Christus am Oelberg in der National-
galerie zu London, dahin besonders eine Reihe von Darstellungen
der Pietät, in welchen der Künstler, wetteifernd mit Mantegna, nach
gewissenhaftester Formbezeichnung in einem streng plastischen Stil
sowie nach erschütternder Tiefe des Ausdruckes strebt. Aber im Gegen-
satze zu dem paduaner Meister wirkt doch schon hier eine mildere
Empfindungsweise auf Abdämpfen der leidenschaftlichen Erregung, so
dass niemals der Schmerz zu solcher grimassenhaften Verzerrung führt,
wie bei Mantegna. So in dem Bilde der Brera (Fig. 151), Welches
in aller Herbigkeit der Form, bei kühlem Temperaton mit schweren