Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 1)

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Buch. 
Die Frührenaissance. 
bleibt er, und zwar wo möglich noch ausschliesslicher, beim einfachen 
Andachtsbild stehen. Die religiöse Devotion forderte fast immer wie- 
der die thronende Madonna; aber während diese Aufgabe bei den 
Florentinern mehr in gemüthlichem Sinne gefasst wurde, so dass Maria 
mit dem Kinde wie irgend eine bürgerliche Hausfrau und Mutter im 
Kreise der Ihrigen erscheint, verlangte der Sinn der Venezianer sie 
in feierlicher Würde, wie eine Fürstin, dargestellt zu sehen, hoch auf 
bedeutend emporragendem Throne gleichsam im Kreise ehrfurchtsvoller 
Vasallen, in der vollen Pracht goldschimmernder Stoffe. So hat auch 
Mantegna sie in seinen grossen Altartafeln aufgefasst. Daneben ist 
ein in den oberitalienischen Schulen besonders beliebtes Thema die 
Picta, d. h. der von seinen Angehörigen betrauerte todte Christus. 
Beide Aufgaben hat Crivelli unablässig immer von neuem zu lösen 
gesucht. Wahrscheinlich das früheste Bild, das wir von ihm nachzu- 
weisen vermögen, Nr. 1173 im Museum zu Berlin, enthält auf der 
Mitteltafel den Leichnam Christi, von Maria und Johannes betrauert, 
auf den Seitentafeln die beiden Büsser Hieronymus und Magdalena. 
Hier zeigt sich ein noch gänzlich unreifer Anfänger, roh und plump 
in den Formen, abschreckend hässlich in den Köpfen, die beim Aus- 
druck der Trauer zur vollständigen Grimasse entarten. Und doch 
scheinen solche Uebertreibungen, deren erster Quell wohl in Donatello 
zu suchen ist, dem religiösen Gefühl besonders zugesagt zu haben, 
denn Crivelli hat dergleichen bei demselben Gegenstand noch oft 
wiederholt. Nicht ganz so widerwärtig, aber nicht minder steif und 
trocken, nicht minder mühsam und doch mangelhaft in der Zeichnung 
ist eine Madonna in der Galerie zu Verona. Dies Alles, sowie die 
Vorliebe für freilich ebenso ungeschickt ausgeführte Verkürzungen, 
für Fruchtschnüre und andren Schmuck erinnert an die Paduaner. 
Ebenfalls noch überaus hart und unerfreulich ist in der Nationalgalerie 
zu London die Darstellung des Beato Ferretti, dem die Madonna 
erscheint: energisch in Farbe und Modellirung; Füsse, Hände und 
der ungeschickt verkürzte Kopf sind mit paduanischer Schärfe ge- 
zeichnet, nur das warme und kräftige Kolorit bezeugt einen Fortschritt, 
die Landschaft dagegen ist noch sehr unentwickelt. Bedeutend im 
Ausdruck einer tiefen Empfindung ist ebendort die Pietät, d. h. der 
von zwei Engeln gehaltene, auf dem Rande des Sarkophags sitzende 
todte Christus; auch hier sind die paduanischen Härten noch nicht 
ganz überwunden, Zeichnung und Durchbildung aber vollendeter, die 
Köpfchen der beiden Engel sogar anziehend.
	        
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