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Buch.
Die Frührenaissance.
milder und weicher einige andre Einzelfiguren von Heiligen, unter
denen namentlich S. Lorenzo hervorzuheben ist. Machtvoll und gross-
artig, nicht ohne Härte ist die grosse Altartafel der thronenden Ma-
donna mit sechs Heiligen und zwei musicirenden Engeln im Museum
zu Berlin (Nr. 38), bezeichnet mit dem Namen des Künstlers, ohne
Frage eines seiner bedeutendsten Werke. Zur vollen Durchbildung in
grossartig freiem Aufbau, in tiefer Leuchtkraft des Kolorits bei scharf
einfallendem Seitenlicht, in mächtiger Charakteristik der Köpfe und
freier Bewegung der Gestalten erhebt sich Luigi in einer anderen
grossen Altartafel derselben Sammlung (Nr. 1165), welche die Madonna
thronend unter stattlicher Renaissancehalle, von vier Heiligen umgeben,
darstellt. Wir wissen, dass diese Tafel im Jahr 1501 für die Kirche
der Battuti um den Preis von hundert Dukaten gemalt wurde. Nicht
minder werthvoll ist das 1503 für die Capp. Milanesi (dritte Chor-
kapelle links) in S. M. de' Frari zu Venedig ausgeführte Altarbild des
thronenden Ambrosius, das ebenfalls durch feierliche Anordnung, tiefe
Farbenglut und treffliches Helldunkel, sowie durch energische Schatten-
gebung hervorragt. Das Werk wurde, da der Künstler darüber starb,
von M. Basaiti vollendet.
Man erkennt aus diesen Prachtwerken deutlich den Wetteifer
Luigi's mit Giovanni Bellini, für welchen wir auch ein aktenmässiges
Zeugniss besitzen. Als nämlich die beiden Bellini mit umfangreichen
Aufträgen für den Saal des Grossen Raths betraut wurden, richtete
Vivarini im Jahre 1488 ein Gesuch an die höchsten Behörden, in
welchem er sich anbot, ebenfalls ein Bild auf Leinwand für jenen
Saal auszuführen, und zwar „in der Malweise, welche gegenwärtig bei
den Brüdern Bellini in Gebrauch ist". Man ging auf dies Gesuch ein
und wies ihn an, zwei Darstellungen aus der Geschichte Venedigs zu
malen, wofür er ein Jahrgeld von sechzig Dukaten erhielt. Seine
Bilder gewannen sich durch tüchtige Bildnisse und treffliche Perspek-
tive allgemeine Anerkennung; um so mehr ist es zu beklagen, dass
sie sammt dem ganzen übrigen Schmuck durch den verheerenden
Brand des Jahres 1577 zu Grunde gegangen sind. Es bleibt uns
daher kein Mittel zu beurtheilen, in welchem Grade Luigi der Schil-
derung historischer Vorgänge gewachsen war. Ausserdem verharrte
er in fleissiger Herstellung von Andachtsbildern, welche sich fast
immer um die Schilderung der Madonna mit ihrem Hofstaat von
Heiligen bewegen. I'm Belvedere zu Wien sieht man eine kleinere
Madonna mit dem Kinde und zwei musicirenden Engeln vom Jahr 1489,