Kapitel.
Die
von Venedig.
Schule
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Dasselbe gilt von der Malerei, die wir bis um 1450 noch durch-
aus in althergebrachtem Geleise sich bewegen sehen, Nun aber Sollte
die gewaltige Kunst Mantegna's aus dem benachbarten Padua einen
kräftigen Impuls auf die stagnirende venezianische Schule ausüben,
sie aus dem langen Schlafe aufrütteln und zu neuem Leben befreien.
Die Aufgaben, welche man hier der Malerei stellte, bewegen sich noch
lange Zeit fast ausschliesslich auf religiösem Gebiet, und zwar im
begrenzten Rahmen des Andachtbildes. Der Kreis der Anschauungen
ist so eng, wie kaum bei den gleichzeitigen Sienesen; man erkennt
sofort den noch völlig in die Fesseln kirchlicher Tradition gebannten
Geist der Bevölkerung. Vom Stoffgebiet der Antike hält sich diese
Malerei während des 15. Jahrhunderts noch gänzlich fern; sie fand
keine Besteller, welche die namentlich bei den Florentinern so beliebten
allegorisch-mythologischen Darstellungen verlangten. Die Nähe Padua's
mit seinen gelehrten Bestrebungen, die in der dortigen Kunst sich so
nachdrücklich äussern, wirkte nur auf die dekorative Ausstattung der
Altarwerke mit schönen Renaissancethronen und dgl. hin. Noch auf-
fallender ist das fast völlige Aufgeben der Freskomalerei. Man hatte-
die Beobachtung gemacht, dass die Feuchtigkeit und die salzigen Aus-
dünstungen des Meeres nicht bloss am Aeusseren, sondern selbst im
Innern der Gebäude den Fresken raschen Untergang brachten. So
kam man denn hier früher als anderswo dazu, bei der Ausschmückung
der Säle, zunächst im Dogenpalast, grosse Gemälde auf Leinwand an-
zuwenden, welche in Rahmen gefasst wurden und ein neues System
der Dekoration begründeten. Als Gegenstände für diese grossräumigen
Werke wählte man Momente aus der Greschichte der Republik, und
wohl hätte sich hier eine monumentale Malerei entwickeln können.
Allein ein besondrer Hang zu genrehafter Auffassung, zur Hervor-
hebung von Einzelzügen und Episoden liess doch das eigentliche Ge-
schichtsbild nicht aufkommen. Man blieb im allgemeinen Sittenbild
stecken, das freilich durch den bunten Völkerverkehr des Markusplatzes
seinen besondren Reiz empfing. Hier sollte "sich zeigen, dass der grosse
historische Sinn, welcher in Florenz seit Giotto die Malerei beherrscht
und zu dramatisch-geschichtlicher Auffassung befähigt hatte, den Vene-
zianern abging, und dass eine zwar anziehende, aber nicht tiefer
ergreifende Schilderung ruhiger Zustande an die Stelle trat. Zwar
sind die grossen Historienbilder des Dogenpalastes durch den ver-
hängnissvollen Brand von 1577 zu Grunde gegangen; aber die noch
vorhandenen kirchlich-legendarischen"Scenen eines Gentile Bellini und
Lübkc, Italien Malerei. I. 33