Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 1)

Neuntes 
Kapitel. 
Die 
Schule 
VOII 
Venedig 
Das glänzende Kunstleben der Lagunenstadt hat länger als die 
meisten übrigen Schulen Italiens an der mittelalterlichen Tradition 
festgehalten. Neben Florenz damals die Wichtigste Stadt der Halb- 
insel, bietet Venedig ein völlig verschiedenes, ja. entgegengesetztes 
Kulturbild. War dort aus den Parteikämpfen der früheren Zeiten die 
Demokratie siegreich hervorgegangen, um dann unter der fürstengleichen 
Macht der Medici die höchste Blüthe menschlicher Bildung zu ent- 
falten, so stellte sich in Venedig schon früh eine geschlossene Aristo- 
kratie in unantastbarer Herrschaft dem Volke gegenüber. Die insulare 
Lage, die Verbindungen mit der Levante Wiesen auf Ausbreitung und 
Befestigung der Seemacht hin. Während die meisten Städte Italiens 
ihre Kraft in inneren Kämpfen erprobten und erschöpften, wurde die 
ganze Energie der venezianischen Republik nach auswärts abgelenkt. 
Früh entwickelten sich hier, unter dem Antriebe jenes rücksichtslosen 
Egoismus, der allen Handelstaaten eigen ist, die Tendenzen einer 
grossen Eroberungspolitik, die in den Kämpfen mit den Genuesen, 
nachher mit den Türken zur Alleinherrschaft in der Adria und dem 
Mittelmeer hindrängte, durch Länderbesitz an den Küsten und auf 
den Inseln bis nach Asien hin ihre Macht zu befestigen suchte. Eine 
glänzende Reihe grosser Staatsmänner, kühner Heerführer, verschla- 
gener Diplomaten ging aus diesen Verhältnissen hervor. Um die 
Pläne einer solchen Politik consequent zu verfolgen und durchzusetzen, 
bedurfte es einer gefestigten Adelsherrschaft, die selbst dem Dogen 
strenge Schranken auferlegte und in rücksichtsloser Starrheit sogar 
dem Staatsoberhaupte Qualen und Demüthigungen zumuthete, von 
denen die Geschichte Francesco Foscarfs ein ergreifendes Beispiel giebt. 
Als der greise Doge, der ein langes Leben ruhmvoll der Grösse
	        
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