Kapitel.
VIII.
Schulen
Die lombardisch-piemontesischen
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Dagegen ist der Stifter eine tüchtige Portraitflgur. Endlich mag hier-
her die .thronende Madonna mit Engeln in S. Eustorgio (1. Kap.
rechts) gehören, die aber freilich stark überarbeitet worden ist und
desshalb von Borgognonds eigenthümlicher Farbenbehandlung wenig
mehr aufweist. Anmuthig ist immerhin das Christuskind, das sich in
naiver Bewegung zur Mutter wendet.
Es folgt nun die grosse Reihe ansehnlicher Werke, mit Welchen
die Certosa von Pavia geschmückt ist, wohin sich Borgognong um
1485 begeben zu haben scheint. Datirt mit der Jahrzahl 1490 ist
die grosse Kreuzigung in der Cap. del Crocifisso. Die Art, wie der
Gekreuzigte von trauernden Engeln umschwebt wird, Während die
Madonna ohnmächtig zusammenbricht, Magdalena den Kreuzesstamm
umfasst, Johannes schmerzvoll emporblickt, erinnert noch ganz an die
herkömmliche Auffassung dieses Themas; aber tief ergreifend und
reich abgestuft ist der Ausdruck, edel Gestalt und Kopf des Erlösers,
merkwürdig scharf und kräftig, fast hart die Zeichnung, Farbe und
Modellirung. Hier ist noch ein Nachhall des realistischen Stils der
Paduaner. Auch das Altarbild des thronenden h. Sirus, ersten Bischofs
von Pavia, in der diesem Heiligen gewidmeten Kapelle, verräth ahn-
liche fast bis zum Starren gehende Herbigkeit der Behandlung. Ver-
wandter Art ist in der Kapelle des h. Ambrosius das der Verherr-
lichung dieses Heiligen gewidmete Altarbild. Mehrere einzelne Tafeln
mit Heiligenfiguren sieht man sodann in der Alten und der Neuen
Sakristei, dort namentlich den h. Augustinus, hier Petrus und Paulus.
Unter seinen Fresken sind die grossen Wandbilder im nördlichen und
südlichen Querarm hervorzuheben: dort die Krönung der Maria mit
vier Heiligen und den knieenden Gestalten des Francesco und Lodovico
Sforza; hier die thronende Madonna, ebenfalls mit vier Heiligen, ver-
ehrt von Gian Galeazzo Visconti und seinen drei Söhnen. Diese-
Arbeiten lassen erkennen, dass Borgognonds Kraft über die einfacheren
Aufgaben des Andachtsbildes nicht hinausging _und für grosse monu-
mentale Werke zu schwach war.
Als der Künstler nach Mailand zurückkehrte, war inzwischen
Lionardo aufgetreten, dessen Einfluss auch Borgognone sich nicht Zu
entziehen vermochte. Ünter dieser Einwirkung reift sein Stil, nach
AbStreifen der früheren realistischen Befangenheit, zu seiner eigen-
thümlichen Süssigkeit und Holdseligkeit, die sowohl in der zarten echt
weiblichen Passivität seiner Gestalten, dem träumerischen Stillleben
seiner Köpfe, als in der duftigen silbertönigen weich verschmolzenen
Lübke, Italien. Malerei. I. 32