VIII.
Kapitel.
Schulen.
Die loznbardisch-piemontesischen
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rativen Frührenaissance hinstellten, in welchen Oberitalien alle andren
Schulen zu überbieten suchte. Für die Malerei fand sich ein ein-
heimischer Künstler, der offenbar aus Squarcionds Schule hervorge-
gangen, die scharfen plastischen Tendenzen des mantegnesken Stils
nach der Lombardei übertrug.
Wie in der Plastik, so sind es auch in der Malerei dieser Gegenden
zwei Strömungen, welche im Laufe des 15. Jahrhunderts neben ein-
ander sich geltend machen. Die eine, als Nachhall der älteren Kunst
der gothischen Epoche, hält an der stillen Feierlichkeit, den sanften
idealen Gestalten mit dem weichen Faltenwurf und den conventionell
lieblichen Gesichtszügen der früheren Zeit fest, sucht damit jedoch die
vollere Formgebung, die höhere Lebenswahrheit der neuen realistischen
Kunstrichtung zu verbinden. Meister wie Borgognone beweisen, zu
welcher Anmuth sich dies Streben zu entfalten wusste. Die andre
Richtung, unter dem Einfluss der paduanischen Arbeiten Donatellds,
vor Allem gefördert durch den grossen Andrea Mantegna, geht auf
die schroffste Naturwirklichkeit aus, die sie in gewaltiger Kraft der
Charakteristik, in einem bis zum Unschönen, bis zur Grimasse ge-
steigerten Hang zum Leidenschaftlichen, Dramatischen, in vorwiegend
plastischer Härte der Formgebung zur Geltung bringt. Zu den Künst-
lern dieser Art gehören Vincenzo Foppa, Bernardino Buttinone, zum
Theil auch Zenale, namentlich aber Macrino d'Alba.
Der erste, bei welchem die neue realistische Kunstweise sich
ausgebildet zeigt, ist Wncenzo Foppa, so genannt nach dem Dorfe im
Mailändischen, in welchem er geboren war. Der Charakter seiner
frühesten Werke bezeugt, dass er seine Studien in der weitberühmten
Schule Squarcionds gemacht hatte und wohl noch Zeuge der ersten
Schöpfungen des jugendlichen Mantegna gewesen war. Unter Francesco
Sforza wird er als selbständiger Meister im Jahre 1456 nach Mailand
berufen und findet sich dann in einem bewegten Leben bald zu Brescia,
wo er das Bürgerrecht erwarb, bald in Pavia, wo er sich verheirathete
und für eine Zeitlang niederliess, dann wieder zu Mailand. Er war,
offenbar wegen der Ueberlegenheit, welche seine Kenntniss des neuen
naturalistischen Stils ihm über zurückgebliebene Landsleute gab, ein
angesehener, vielbeschäftigter Maler, von dessen zahlreichen monumen-
talen Werken uns aber nur dürftige Reste geblieben sind. Selbst nach
Genua wurde er, wiewohl vergeblich, zur Ausschmückung des Domes
berufen. Zuletzt erhielt er 1498 die Bestallung als Stadtmaler von
Brescia, mit 100 Lire Jahrgehalt gegen das Anerbieten, eine Schule