Achtes
Kapitel.
Die
lombardisch-piemontesischen
Schulen.
Die nordwestlichen Gebiete Italiens, die Lombardei und Piemont,
sind im alten Kulturleben Italiens von jeher mehr empfangende als
gebende Provinzen gewesen, bei denen ausserdem durch die starke
Beimischung germanischer Elemente, endlich durch den Einfluss der
benachbarten Kunst des Nordens, und zwar Deutschlands sowohl wie
Frankreichs, manche Umgestaltungen sich vollzogen. Ist es doch
bezeichnend, dass in der Architektur wie in Bildnerei und Malerei
ganz Oberitalien lange noch am Mittelalter festhält und nur langsam
und zögernd der Bewegung Toskanas nachfolgt. Auch hier sind es
direkte Einflüsse Horentiniseher Meister, welche den Impuls zum Fortß
schritt geben. Filarete und Michelozzo bringen von Toskana den
neuen architektonischen Stil, jener bei der Facade des durch Francesco
Sforza errichteten Spedale grande, dieser durch den für Cosimo Medici
erbauten Palast und die noch vorhandene Kapelle des Petrus martyr
in S. Eustorgio. Auch hier war es fürstliche Kunstliebe, welche den
neuen Stil mächtig förderte. Nach dem Aussterben des ruchlosen
Tyrannengeschlechts der Viseonti, welches zuletzt in Gian Galeazzo,
Gian Maria und Filippo Maria echte Typen des italienischen Gewalt-
herrschers hingestellt hatte, erhielt der tapfere aus bäuerlicher Abkunft
stammende Francesco Sforza das Herzogthum. Durch ihn wurden
glänzende künstlerische Unternehmungen eingeleitet, und sein Sohn
Lodovico il Moro setzte in demselben Sinn diese Bestrebungen fort.
Bedurfte man zu den architektonischen Schöpfungen zunächst fremder
Künstler, so wurden doch bald einheimische Talente herangebildet, die
in der Faeade der Certosa. von Pavia, den Portalen des Doms zu Como
und der Oappella Colleoni zu Bergamo Prachtwerke jener üppig deko-