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Buch,
Die Frührenaissance.
bezeichnende Bild ist von erstaunlicher Weichheit des klaren Kolorits
und verräth nichts von der sonstigen plastischen Härte früherer Arbeiten.
Von höchster Vollendung und zartestem Schmelz, ist es zugleich erfüllt
von einem starken Hauch romantischer Poesie. Das andre Bild stellt
die Vertreibung der Laster durch die Weisheit dar. Links erscheint
Minerva, welcher die Keuschheit in Gestalt der Diana und die Weis-
heit mit einer brennenden Fackel voraufschreiten, um die Laster zu
verjagen, welche bestürzt entweichen, während die in den Lüften umher-
irrenden Tugenden der Gerechtigkeit, Stärke und Mässigung sich an-
schicken, auf die Erde zurückzukehren. Durch dichte Baumreihen fällt
der Blick in eine schöne Landschaft. Hier herrscht eine grosse Energie
leidenschaftlichen Ausdrucks, welcher die sonst so leicht frostige Alle-
gorie mit der überzeugenden Kraft des Lebens erfüllt. Dabei ist die
Zeichnung wieder von höchster Feinheit und Schärfe, die sich aber
mit einem goldig warmen, klaren Farbenton in Luft, Landschaft und
Carnation verbindet. In diesen Arbeiten seines höheren Alters sieht
man die frühere gar zu herbe Darstellungsweise zu edler Anmuth und
Weichheit gemildert, ohne doch etwas von der plastischen Bestimmt-
heit zu vermissen. Unter den Zeichnungen Mantegna's verdient die
Judith, welche das Haupt des Holofernes in einen von ihrer Dienerin
gehaltenen Sack gleiten lässt, eine besondre Erwähnung, wegen der
Feinheit des plastischen Stils. Sie trägt das Datum 1491 und befindet
sich in den Uffizien.
Ausser seinen Schöpfungen im Gebiet der Malerei verdient Man-
tegna noch besondere Beachtung wegen der hohen Bedeutung, welche
er für die Ausbildung des italienischen Kupferstiches gewonnen hat.
Ohne Zweifel angeregt durch die Schöpfungen des deutschen Grab-
stichels, suchte er mit den nordischen Meistern zu wetteifern, um manche
seiner künstlerischen Gedanken auf diesem Wege auszusprechen. Seine
Technik ist freilich überwiegend einfach und entbehrt des malerischen
Reizes, welchen die nordischen Stecher jener Zeit bereits in hohem
Grade besitzen. Er schrafflrt wie in seinen Federzeichnungen in einer
schrägen Strichlage, welche eine feinere Modellirung nicht zulässt;
dagegen ist auch hier der Umriss von bewundernswerther Genauigkeit
und Sicherheit. Man zählt von ihm einige dreissig Blätter, grössten-
theils biblischen Inhalts; aber auch eine Reihe von antiken mytholo-
gischen Scenen, besonders aus seiner späteren Zeit, ist vorhanden,
welche fast mehr noch als jene Darstellungen auf die deutsche Kunst,
namentlich auf Dürer, zurückgewirkt haben. Dahin gehören die Tri-