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Buch.
Frührenaissance.
Die
Mantegnak, nicht unähnlich seinen früheren künstlerischen Werken,
manche Härten und Wunderlichkeiten bot, die den Verkehr mit ihm
nicht immer zu einem angenehmen machten. Von krankhafter Reiz-
barkeit, argwöhnisch und händelsüchtig, lag er mit seiner ganzen Nach-
barschaft in ewiger Fehde und fing oft aus armseligen Ursachen Pro-
zesse an, wobei er dann nicht selten um der kleinlichsten Dinge willen
seine fürstlichen Gönner mit Klagen und Beschwerdebriefen über-
schüttete. Mit vornehmer Gelassenheit liessen diese den wunderlichen
Mann solche Quälereien niemals entgelten und sahen dem grossen
Künstler die kleinen menschlichen Gebrechen geduldig nach. Er lohnte
ihnen dafür durch treue Dienste und durch Werke, welche ihnen mit
dem Urheber die Unsterblichkeit verbürgen.
Zu seinen bedeutendsten Arbeiten dieser Zeit gehören die bis
1474 vollendeten Fresken im alten herzoglichen Palaste zu Mantua,
von welchen bedeutende Ueberreste noch jetzt zum Theil wohlerhalten
sind. In der sogenannten Camera degli Sposi, einem stattlichen Raume
von etwa 26 Fuss im Quadrat, sieht man an den Wänden Scenen aus
dem Privatleben der fürstlichen Familie. Gemalte Pilaster mit grauen
Ranken auf Goldgrund theilen die Flächen. An der Wand rechts von
der Thür wird geschildert, wie der Markgraf, von seinen Kindern um-
geben, seinen Sohn, den Kardinal Francesco, empfängt. Den Hinter-
grund bildet eine Landschaft mit einer idealen Ansicht des antiken
Rom. Die mehr als lebensgrossen Figuren im knappen Zeitkostüm,
das bei den jüngeren Leuten das Mi-parti zeigt, meistens in's Profll
gestellt (nur die stattliche Gestalt des Kardinals sieht man von vorn),
haben etwas unglaublich Nüchternes und Steifes, als wären sie aus
Holz geschnitten; aber ein wunderbar bestimmtes, mit Meisterhand
festgebanntes Leben, wenngleich ohne alle Anmuth, doch von fesselnder
Wahrheit erfüllt sie. Der Markgraf mit seiner hölzernen Haltung, dem
unschönen Profil, dem riesigen Ohr und dem kurzen Specknacken, ist
ein Muster realistischer Hasslichkeit. Liebenswürdig naiv dagegen sind
seine beiden kleineren Kinder. Das Bild links, zum Theil zerstört,
zeigt den Auszug zur Jagd. Ein Diener hält das in der Vordersicht
trefflich verkürzte Pferd, ein anderer eine Koppel Rüden. Hinter dem
Pilaster setzt sich die Darstellung in das Mittelfeld fort, wo unsym-
metrisch die Thür angebracht ist. Den Hintergrund bildet eine phan-
tastische Gebirgslandschaft. Ueber der Thür halten Genien mit Schmetter-
lingsflügeln eine Inschrifttafel mit den bezeichnenden Worten, dass
dem erlauchten Fürsten Ludwig II. und seiner Gemahlin Barbara nsein