Kapitel.
VII.
paduanische
Ausläufer.
und ihre
Schule
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der ersten Entwicklungsepoche des Künstlers. Grrossartig nach Anlage
und Umfang, behält es noch die Feierlichkeit streng statuarischer An-
ordnung bei, die das Mittelalter liebte und lässt die auf prächtigem
Marmorsitz thronende Madonna mit den acht Heiligengestalten, welche
sie auf beiden Seiten in stark perspektivischer Anordnung umgeben,
nicht in nähere Beziehungen treten. Die bewegten Gegensätze male-
rischer Composition, Welche die Florentiner bei solchen Aufgaben an-
wenden, bleiben Mantegna fern. Nur die bezaubernden Engelknaben,
welche musicirend den Thron umgeben, bringen eine freiere Anordnung
in das feierlich strenge Werk. Dazu kommt der Reichthum antiker
Architektur mit köstlichen Blumengewinden, die von Genien gehalten
werden und einen festlichen Eindruck geben. Der streng plastische
Stil herrscht noch vor, verbindet sich aber mit weicherer F arben-
behandlung. In den Typen der Köpfe ist alles Herbe, Ünschöne über-
wunden, zum Theil eine hoheitvolle Anmuth erreicht, die nament-
lich die Madonna verklärt. S0 erscheint das herrliche Werk wie ein
feierlicher Hymnus, in welchem die kirchliche Stimmung sich zu einer
Erhabenheit steigert, wie in wenig Werken der Zeit. Die Predellen-
bilder sind in Frankreich geblieben, zwei im Museum zu Tours, das
dritte, eine Darstellung der Kreuzigung, im Louvre. Auch hier sind
Zeichnung und Modellirung noch ungemein herb und streng, sämmt-
liche Gestalten haben die übertriebene Lange, die auch in der Eremi-
tanikapelle auffällt; herrlich im Ausdruck verzweifelnden Schmerzes ist
Johannes, dagegen die Gruppe der Frauen voll Hässlichkeit, aber von
erschütternder dramatischer Wucht. Die Ausführung bis in den fernsten
Hintergrund ist von unübertrefflicher Gediegenheit. Ungefähr der-
selben Zeit dürfte die köstliche kleine Tafel mit dem h. Georg in der
Akademie zu Venedig angehören; etwas früher dagegen scheint der
unvergleichlich scharf in streng statuarischem Stil ausgeführte S. Se-
bastian im Belvedere zu Wien, der in griechischer Schrift den Namen
des Meisters trägt und diesen noch ausschliesslich an Nachbildung
plastischer Eindrücke hingegeben zeigt.
Erst nach 1460, wie es scheint, trat Mantegna seine Stellung am
Hofe zu Mantua an, in welcher er bis zu seinem Tode (1508) fast ein
halbes Jahrhundert lang drei nacheinander folgenden Herrschern diente.
Die Anhänglichkeit des Künstlers an das Haus Gonzaga gehört ebenso
wie die mit hohem Vertrauen" gepaarte Verehrung der Fürsten gegen
den grossen Meister zu den erfreuliehsten Zügen des damaligen Künstler-
lebens. Doch soll nicht verschwiegen werden, dass der Privatcharakter
Lübke, Italien. Malerei. I. 30