Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 1)

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Buch. 
Die IPrührenaissance. 
Pieta derselben Galerie zeigt den Leichnam Christi ganz von vorn in 
kühnster Verkürzung, so dass die Fusssohlen fast unmittelbar an das 
Gesicht stossen, von dem man nichts erblickt als die Untersicht von 
Nase und Kinn, Ein erstaunliches Kunststück der Perspektive  das 
indess durch die Grimassen der heulenden Frauen nicht geniessbarer 
wird. Offenbar hatte der Künstler dieses grossartig hässliche Werk 
nur zu seinem eignen Studium gemalt, denn es befand sich bei seinem 
Tode noch in der Werkstatt. 
Es mag bei dieser Gelegenheit darauf hingewiesen werden, dass 
die Pieta, d. h. der von den Seinigen betrauerte todtc Christus ein 
Thema ist, welchem die ilorentinische Kunst meist aus dem Wege geht, 
während die Schulen Oberitaliens und Umbriens in ihrem treuen Fest- 
halten an den kirchlichen Traditionen dasselbe ungemein häufig be- 
handeln. Aus derselben Frühzeit datirt die Madonna im Museum zu 
Berlin (Nr, 27). Sie sitzt mit ihrem Kinde auf einem von prach- 
tigem Fruchtgehänge bekränzten und von Engeln mit den Marterwerk- 
zeugen eingefassten blauen Felde. Trocken im Ton der Malerei, scharf 
in der plastischen Durchbildung, bezeugt das Werk in dem mühsamen 
Streben nach Verkürzung die Jugendzeit des Künstlers. Aehnliches 
gilt von der Darstellung des Christuskindes im Tempel, ebendort Nr. 29, 
ebenfalls auf- dunklem Grunde, sehr trüb und grau in der Farbe bei 
gediegenster Zeichnung. Das herrliche Bild derselben Galerie, welches 
den todten Erlöser, von zwei ausdrucksvollen Engeln betrauert dar- 
stellt, ist neuerdings nicht ohne Grund dem Mantegna abgesprochen 
worden. Aus dem Jahre 1454 datirt ferner die edle h. Euphemia im 
Museum zu Neapel, ein Werk von plastischer Strenge und Feierlich- 
keit. Wahrscheinlich war der Künstler damals zugleich mit den Fresken 
der Eremitanikapelle beschäftigt. Durch seinen Anschluss an Donatello 
und mehr noch an Jacopo Bellini scheint Mantegna sich mit seinem 
Lehrer und Pflegevater überworfen zu haben; zudem wuchs der Ruhm 
des jungen Künstlers so schnell, dass schon 1456 der Markgraf Lodo- 
vico Gonzaga ihn unter annehmbaren Bedingungen für Mantua zu 
gewinnen suchte. Ausser Vergütung der Umzugskosten wurden ihm 
freie Wohnung, Korn, Brennholz und 15 Dukaten monatlich zugesagt. 
Doch verzögerte sich die Üebersiedlung noch um einige Jahre, weil 
er nicht bloss für Padua beschäftigt war, sondern auch für den Hoch- 
altar von S. Zeno zuVer0na ein grosses Altarstück versprochen hatte. 
Dieses Werk, welches 1797 von den Franzosen entführt wurde, später 
wieder an seine ursprüngliche Stelle gelangte, bildet den Abschluss
	        
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