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Buch.
Die Frührenaissance.
zu Siena. Von geringerer Art ist die kleine Anbetung der Könige
in der Galerie Pitti. In der Nationalgalerie zu London sieht man
eine Madonna, in der Galerie zu Berlin unter Nr. 143 eine liebens-
würdige Madonna mit dem Kinde, Während ehendort die Reihenfolge
von kleinen Bildern aus der Geschichte des jungen Tobias durch ihre
naive Lebendigkeit, bei bunter und harter Färbung, eher auf einen
Florentiner deuten. Aus dem Todesjahre des Meisters 1513 sieht man
im Palazzo Borromeo zu Mailand einen kreuztragenden Christus, der
in seiner miniaturhaften Vollendung von der ungeminderten Künstler-
sohaft des Meisters ein schönes Zeugniss giebt.
Zu den anziehendsten Künstlern der umbrischen Schule gehört
sodann Giovanni di Pietro, von seiner spanischen Abstammung lo Spagna
genannt. Ueber seine Lebensverhältnisse herrscht fast völliges Dunkel,
doch finden wir ihn im Anfang des 16. Jahrhunderts in der Schule
Peruginds, wo er neben dem etwa gleichaltrigen Rafael zu den be-
gabtesten Vertretern der jüngeren Generation gehörte. Keiner von
allen Schulgenossen steht Rafael an seelenvoller Schönheit der Form,
an weichem Schmelz der Durchführung so nahe wie er. Kein Wunder
daher, dass man seine Werke nicht selten mit denen Rafael's ver-
wechselt hat. Dies ist namentlich der Fall gewesen mit der edlen,
allerdings stark zerstörten Altartafel, welche vor 1503 im Auftrage eines
Abtes aus der Familie Ancajani für S. Pietro in Spoleto gemalt wurde,
jetzt im Museum zu Berlin befindlich. Es ist eine Anbetung der
Könige in der durch Perugino ausgebildeten Anordnung: das neu-
geborne Kind liegt am Boden und wird einerseits von der Madonna
mit zwei Engeln, andrerseits von den drei Königen verehrt, von denen
der jüngere im Vordergrund stehend, an dem auf seinen Stab ge-
stützten h. Joseph sein Gegenbild hat. Links der Stall mit Ochs und
Esel, rechts im Hintergrunde in einer Felsschlucht der Zug der h. drei
Könige, oben in Lüften drei lobsingende Engel. Ein Rahmen mit
antiken Ornamenten, Meergöttern und Genien sowie phantastischen
Fabelwesen schliesst oben und unten das Bild ein. Es ist eine ge-
diegene Arbeit, im Geiste Peruginds entworfen, voll Würde und
Anmuth in den Gestalten, die indess die seelenvolle Grazie Rafaels
keineswegs erreichen. Eine ähnliche, etwas einfachere Composition ist
die Geburt Christi in der Galerie des Vatikan, für ein Kloster bei
Todi ausgeführt, nach welchem sie als „Madonna della Spineta" be-
zeichnet wird. Dieses Werk, dort dem Perugino zugeschrieben, zeugt
allerdings von dem innigen Anschluss Spagna's an seinen Lehrer.