Kapitel.
von Umbrien.
Schule
Die
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Bald nach Vollendung dieser Werke wurde der Künstler durch
den Neffen Pius II. nach Siena berufen, um die von diesem am nörd-
lichen Seitensehiff des Doms angebaute Bibliothek mit Gemälden zu
schmücken. Der Raum ist jetzt noch mit seinen edlen Marmor-werken,
den geschnitzten Arbeiten der Vertäfelung und den in unberührter
Farbenpracht strahlenden Gemälden Pinturicchids von einer dekorativen
Pracht, wie sie selbst in Italien selten gefunden wird. Nachdem der
Contrakt 1502 vollzogen war, welcher QÜÜ Dukaten zum Einkauf von
Gold und Farben, 100 Dukaten für den Umzug und zur Besoldung
von Gehülfen, ÖO Dukaten nach Vollendung jedes Hauptbildes und
den Rest nach Fertigstellung des Ganzen verspricht, ausserdem dem
Künstler ein Haus zur Wohnung und das Nöthige an Lebensunterhalt
anweist, siedelte Pinturicchio mit seiner Familie und einer Anzahl
tüchtiger Gehülfen aus Peruginds Vverlastatt nach Siena über. Auch
der junge Rafael soll unter diesen gewesen sein und dem älteren Meister
bei Anfertigung der Entwürfe beigestanden haben. Die prachtvolle
Dekoration des Gewölbes war noch vor dem Herbst 1503 vollendet,
sodann nach einiger Unterbrechung wurde der umfangreiche Wand-
schmuck gegen Ende des Jahres 1507 fertig.
Die Libreria ist ein hoher grosser Saal von länglichem Recht-
eck, mit Spiegelgewölbe und Stichkappen bedeckt, durch zwei lange
Fenster an der Nordseite reichlich erhellt. An jeder Langseite sind
vier, an der den Fenstern gegenüber liegenden Eingangswand zwei
grosse Bilder mit Scenen aus dem Leben Pius II. Die architek-
tonischen Einfassungen sind als Pfeiler mit Bogenstellungen in perspek-
tivischer Anordnung gemalt, die Vorderseite der Pfeiler mit reizenden
Arabesken, der Mittelpilaster blau auf Goldgrund, die Seitenpilaster
weiss auf blauem Grund. Die Decke ist in trcfflieher Eintheilung mit
mythologischen Darstellungen auf blauem Grund, in den Stichkappen
auf Goldgrund mit reicher Anwendung von Stuck, die Wirkung des
Ganzen unvergleichlich heiter und prächtig. Die zehn grossen Wand-
bilder schildern in iigurcnrcicher Darstellung mit glänzenden architek-
tonischen oder landschaftlichen Gründen die Hauptscenen aus dem
Leben des Aeneas Sylvius. 1. Er reist nach Basel zum Concil, Wäh-
rend am Himmel ein Sturm heraufzieht; eine der lebendigsten Scenen.
(Fig. 133.) 2. Er kommt als Gesandter zum König von Schottland,
der ihn in offner Palasthalle thronend empfängt; ein feierliches Cere-
monienbild. 3. Er wird auf dem Reichstag zu Frankfurt als Dichter
mit dem Lorbeer gekrönt. Hier bildet eine prachtvolle Kirchenfaeade,