Kapitel.
Umbrien.
VOII
Schule
Die
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Jüngling, der seinen Stab über dem Knie zerbricht. Wie ganz anders
hat Rafael in seinem Sposalizio diese Figur durchgebildet! Der Kuppel-
bau, der den Hintergrund abschliesst, erinnert an das Bild von der
Üebergabe der Schlüssel in der Sixtina. Um dieselbe Zeit entstand
für S. Pietro zu P erugia ein grosses vieltheiliges Altarwerk der
Himmelfahrt Christi, das jetzt in nicht weniger als fünf verschiedene
Orte zerstreut ist. Am ursprünglichen Ort, in der Sakristei, beünden
sich nur noch fünf Brustbilder von Heiligen, zu denen drei in der
Galerie des Vatikan hinzukommen: Arbeiten von gediegener Kraft
und Schönheit des Kolorits. Die drei Predellenbildchen, Anbetung der
Könige, Taufe Christi und Auferstehung, jetzt im Museum zu Rouen,
sind etwas handwerklich ausgeführtes Mittelgut. Weit werthvoller ist
das Hauptblatt im Museum zu Lyon, das namentlich unter den auf-
blickenden Jüngern herrliche Gestalten von edlem Gewandwurf und
tiefer Innigkeit enthält, obwohl die Verkürzungen nicht immer völlig
gelungen sind und die Farbe etwas hart und nicht ganz harmonisch
erscheint. Die Lünette endlich befindet sich in S. Gervais zu Paris.
Das Ganze ist "typisch für die Auffassung Peruginds, und öfter hat er
die einzelnen Theile der Composition wiederholt.
Zu den herrlichsten Werken des Meisters gehören die Verklärung
der Madonna in der Pinakothek zu Bologna, die Auferstehung Christi
in der Galerie des Vatikan, die aus S. Francesco in Perugia stammt
und das für die Certosa von Pavia gemalte Altarwerk, jetzt in der
Nationalgalerie zu London, Welches in der Haupttafel die Madonna
das Christuskind verehrend darstellt (eine Wiederholung in der Galerie
Pitti), auf den Flügeln den Erzengel Rafael mit dem jungen Tobias
(Fig. 139) und S. Michael in blinkendem Stahlpanzer enthält. In diesen
Werken herrscht eine so vollkommene Schönheit der Form, Innigkeit
des Ausdrucks und unübertroffener Schmelz des Kolorits, dass man
an eine Mitwirkung Rafaels gedacht hat. Sie beweisen aber nur, welche
Vollendung Perugino zu erreichen vermochte, wenn er seine Kräfte
zusammennahm und sich nicht bequem gehen liess. Von ähnlicher
Schönheit ist die thronende Madonna mit vier Heiligen, ursprünglich
für die Kapelle des Stadthauses zu Perugia gemalt, jetzt in der Galerie
des Vatikan.
Eine ansehnliche Zahl seiner Werke besitzt die Pinakothek zu
Peru gia, namentlich das Madonnenbild, welches er 1489 für S.Pietro
Martire malte; ferner, das weit geringere Martyrium des h. Sebastian
von 1518 und mehrere andere Bilder aus der mittleren und späteren