Kapitel.
Die
Urnbrien.
VOII
Schule
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London, der Verklärung Christi in der Galerie zu Perugia Nr. 2 u. A.
bleibt er noch dem Temperaverfahren treu und erhebt die umbrische
Gefühlsinnigkeit oft zu edler Schönheit. In den Zeiten seiner Horen-
tiner Studien wendet er sich zur Oelmalerei, die er zu hoher Vollen-
dung ausbildet, indem er zugleich mit der Wärme der Empfindung
ilorentinische Lebensfülle verbindet. Das vollendetste Werk dieser
Entwicklungsstufe ist die grosse Pietät, welche aus Sta. Chiara in die
Galerie Pitti gelangt ist: an rhythmischer Geschlossenheit der
Composition, Adel des mannigfach abgestuften Ausdrucks, harmonischer
Kraft der Färbung eins der edelsten Werke des Jahrhunderts. Es
trägt den Namen des Künstlers und die Jahrzahl 1495. Von ähnlicher
Tiefe des Ausdrucks ist die Pieta, welche aus dem Kloster della Calza
in die Sammlung der Akademie gelangt ist. Ein Jahrvorher malte
er für S. Agostino in Cremona eine thronende Madonna mit Heiligen,
die eine ähnliche Vollendung erkennen lässt. Von 1493 datirt eine
thronende Madonna mit Heiligen im Belvedere zu Wien, in der Farbe
indess etwas hart und scharf bei sorgfältiger Durchführung. Um die-
selbe Zeit entstand eine thronende Madonna mit St. Sebastian und
Johannes dem Täufer für S. Domenico in Fiesole, jetzt unter Nr. 1122
in den Uffizien. Endlich gehört in diese Zeit das Altarbild der Geburt
Christi in der Villa Albani zu Rom, welches von 1491 datirt. Bis
zum Jahre 1500 bleibt Peruginds Kunst immer noch im Steigen; zu
den schönsten' Werken dieser Epoche gehört die Himmelfahrt der
liladonnaevom Jahr 1500, ehemals in der Kirche von Vallombrosa,
jetzt in der Akademie zu Florenz. Doch sind die oberen Theile
etwas bunt und grell in der Färbung, und die sehnsuchtsvoll auf-
blickenden Heiligen sind nicht ohne conventionellen Beigeschmack.
Christus am Qelberg ebendort, aus der Kirche della Calza, Christus
am Kreuz zwischen der Madonna und dem h. Hieronymus aus dem
Kloster delle Poverine, gehören ebenfalls zu seinen tüchtigen Arbeiten.
Weit geringer sind in derselben Sammlung die Figuren, welche er der
von Filippino Lippi unvollendet gelassenen Kreuzabnahme aus der
Kirche der Annunziata hinzugefügt hat.
Um 1500 entstand sodann für die Josephsbrüderschaft in S. Lo-
renzo zu Perugia das grosse Altarbild der Vermählung Maria, jetzt
im Museum zu Caen befindlich. (Fig. 129.) ES gehört nicht Zu den
bedeutendsten Schöpfungen Peruginds, obwohl es schöne Köpfe, edle
Gewänder und eine gewisse Festlichkeit der Stimmung aufweist. Die
conventionellen Stellungen, die wie so oft bei Perugino gar zu schwäch-
Lübke, Italien. Malerei. I. Q8