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Buch.
Die Frührenaissance.
Professor der Rhetorik Maturanzio angegeben wurde, haftet etwas
Lehrhaftes an, wobei mittelalterliche Symbolik sich mit humanistischer
Allegorie verbindet. Die Kraft historischer Schilderung und Charak-
teristik, die in den Fresken der sixtinischen Kapelle so herrlich auf-
leuchtete, ist hier völlig verschwunden. -Alle Figuren, seien sie antik,
kirchlich, mythologisch, tragen dasselbe conventionelle Gepräge einer
überaus anmuthigen, aber weichlichen Kunst, die solchen Aufgaben
nur in sehr bedingter YVeise gerecht werden kann. Die Ausführung
selbst freilich und die dekorative Gesammtwirkung, noch gehoben durch
die herrlichen Holzschnitzereien der Wandbekleidungen mit ihren Sitz-
bänken, ist von köstlichem Reiz. Mit Recht durfte der Meister bei
diesem Hauptwerk sein eignes Bildniss mit dem klugen, energischen
Ausdruck einer etwas handwerklichen Intelligenz hinzufügen.
Aus dem Jahre 1504 datirt sodann in Sta. Maria de' Bianchi zu
Citta della Pieve das grosse Fresko der Anbetung der Könige,
welches er statt für 200 Gulden, aus Rücksicht auf seine Vaterstadt
für die Hälfte und dann noch mit einem Nachlass von 25 Gulden in
unglaublich kurzer Frist ausführte. Aus dem folgenden Jahre stammt
ein Fresko der Marter des h. Sebastian in der Kirche des h. Panicale
bei Perugia, in S. Agostino daselbst ein Wandbild der Himmelfahrt
Maria. An diesen Werken merkt man eine starke Betheiligung der
Gehülfen. Zu seinen schwächeren Arbeiten gehören auch die Decken-
gemälde, welche er im Saale des Burgbrandes im Vatikan ausführte,
und die Rafael verschonte. Selbst in den letzten Lebensjahren war
Perugino rüstig genug, um monumentale Arbeiten liefern zu können;
so fügte er 1521 dem von Rafael in S. Severo zu Peru gia begonnenen
F resko der Dreieinigkeit die unteren Heiligenfiguren hinzu, die indess
bei dem schadhaften Zustande des Bildes kaum mehr zu erkennen sind.
Üngleich bedeutender ist die aus demselben Jahre stammende Pieta in
Sta. Maria Maggiore zu Spello, obwohl im Ausdruck schon schwäch-
lich und übertrieben, nur der matronenhafte Kopf der Madonna von
mütterlicher Innigkeit. Diesem Bilde gegenüber, an der rechten Seite
des Chores, eine Madonna mit den Heiligen Blasius und Katharina,
ebenfalls schwächer in Auffassung und Behandlung.
Fast noch mehr als in den Fresken verräth sich in den zahlreichen
Tafelbildern Peruginds die weiche Bestimmbarkeit seiner Natur. In
den frühesten Werken, wie der thronenden Madonna mit der h. Rosa
und Oatharina im Louvre, der Halbfigur der Madonna mit dem
Christuskind und dem kleinen Johannes in der Nationalgalerie zu