Klapitel.
Schule von
Die
Umbrien.
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werden sollte. Wenn dieser auch, soweit es ihm möglich war, rück-
sichtsvoll gegen die Arbeiten seines Meisters verfuhr und die Decken-
bilder desselben schonte, so mag doch in Perugino ein schmerzliches
Gefühl vorgeherrscht haben, als er mit den übrigen Vertretern einer
früheren Zeit entlassen wurde und nun der ewigen Stadt für immer
den Rücken kehrte. Noch sechzehn Jahre blieb er in rüstiger Aus-
übung seiner Kunst in Perugia und den umliegenden Gegenden thätig,
bis in die letzten Lebenstage unermüdlich schaffend. Der Tod über-
raschte den 78jährigen im Jahre 1524, als er in Fontignano arbeitete.
Da dort eine pestähnliche Seuche wüthete, wurde der Meister, der
sein Leben lang die Kirche und ihre Heiligen verherrlicht hatte, ohne
kirchliche Feierlichkeit im freien Felde beerdigt. Drei Söhne über-
lebten ihn.
Aus der grossen Masse der noch vorhandenen Werke Peruginds
heben wir nur das Wichtigste hervor. Den Anfang machen seine
Fresken in der Sixtinischen Kapelle Das erste Bild schildert
Vorgänge aus dem Leben des Moses. In reicher Landschaft sieht man
vorn in der Mitte ihn von einem echt Horentinischen Engel mit ge-
zogenem Schwert aufgehalten. Gruppen von Frauen mit Kindern und
zuschauenden Jünglingen füllen nach links den Vordergrund. Rechts
sieht man die Beschneidung seines Sohnes, WO wiederum schöne Grup-
pen von Jünglingen und Männern im Zeitkostüm zuschauen. Tief im
Hintergrunde ist der Abschied von Reguel geschildert. In der Glie-
derung der Gruppen, in der Durchbildung der Gestalten und der
Charakteristik der Porträtfiguren erkennt man Horentinisehe Einflüsse,
in dem Adel des Gewandwurfs und der Schönheit der Köpfe das Erb-
theil umbrischer Kunst. Noch edler gestaltet sich sein Stil in der
Taufe Christi. Der Ausdruck von Demuth in der herrlichen Gestalt
Christi, die Eingebung des Taufers, die lieblichen Engel, welche die
Gewänder bereit halten, die andächtige Sammlung in den Gruppen der
Zuschauer, welche wie ein feierlicher Chor die Handlung begleiten,
verleihen der Darstellung eine Würde und Schönheit, wie wenige
Schöpfungen der Zeit sie erkennen lassen. Dazu kommen noch als
Zeugniss tüchtiger anatomischer Studien die Gestalten einiger nackten
Jünglinge und eines sich eben Entkleidenden, die sich ebenfalls zur
Taufe vorbereiten. Oben schwebt in einer Engelglorie Gottvater, der
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i") Diese und die übrigen Bilder desselben Cyklus in guten Stichen des grössten
Maassstabes publicirt von der päpstlichen Calcograüa.