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Buc11.
Die Frührenaissance.
zugleich ein abermaliger Ruf nach Orvieto und der Antrag', die Aus-
schmückung des Cambio zu Perugia zu übernehmen, Er gab letzterem
den Vorzug, und während die Orvietaner endlich Signorelli gewannen,
war er einige Jahre in Perugia thatig, und wurde dort 1501 sog-ar
unter die Prioren erwählt. Er sah sich damals auf der Höhe seiner
künstlerischen und bürgerlichen Stellung. Es war zugleich die Zeit,
wo unter seinen zahlreichen Schülern das glänzende Gestirn Rafaels
aufging, dessen Betheiligung wir an manchem Werke Perugino's aus
jener Epoche annehmen dürfen.
Im Ganzen erhält sich die ausdauernde Kraft des Meisters ziem-
lich lange auf achtungswerther Höhe und selbst in den späteren Jahren
merkt man seiner eignen Hand noch keine Ermattung an. Aber er
produzirt doch massenhafter und oberflächlicher und schädigt sein An-
sehen durch bequemes Wiederholen derselben Motive. lAuch ist nicht
zu verkennen, dass das längere Verweilen in Perugia, WO er unbe-
stritten ohne Nebenbuhler den ersten Rang einnahm, die lebensvolle
Frische seiner Kunst schfadigte. Er scheint dies selbst gefühlt zu haben
und begab sich daher 1504 abermals nach Florenz, um aus dem frischen
Born der dortigen Kunst neue Anregungen zu schöpfen. Er traf dort
grade ein, als der junge Michelangelo seinen Wettkampf mit dem
älteren Lionardo aufnahm, und ward Zeuge von dem ungeheuren Ein-
druck, den die Kolossalstatue des David auf die ganze Kunstwelt machte.
Die ersten Zeugnisse einer neuen Kunst von staunenswerther Freiheit
und Grösse mögen den alternden Meister wundersam bewegt haben.
Noch ganz anders wirkten dieselben auf seinen jungen Schüler Rafael,
der um dieselbe Zeit in Florenz weilte. Perugino wurde zu den Be-
rathungen über den Aufstellungsort des David zugezogen. Damals
hatte er, wie es scheint, von dem Üebermuth des auf der Hochiluth
des Erfolgs sich wiegenden Michelangelo eine schmerzliche Kränkung
zu ertragen, denn dieser nannte öffentlich ihm in's Gesicht seine Kunst
albern und veraltet. Der greise Meister mag gefühlt haben, dass in
dieser neuen Welt seines Bleibens" nicht ferner sei, und so begab er
sich 1506 nach Perugia zurück, wo er fortan in den Registern der
Malerzunft seinen Platz behauptet, während er zu Florenz nicht mehr
vorkommt. Aber mit dem Regierungsantritt Julius II. wurde er noch
einmal nach Rom berufen, um an der Ausschmückung des Vatikan sich
zu betheiligen. Neben Peruzzi und Bazzi, neben Signorelli und Pin-
turicchio arbeitete er hier in einer von den Stanzen, welche bald darauf
durch seinen grossen Schüler Rafael mit neuen Kunstwerken geschmückt