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Buch.
Die
F rührenaissance.
Die ersten Siiuren dieser Richtung finden wir in Foligno, wo die
Fresken BeDOZZUS in dem benachbarten Montefalco mit ihrer weichen,
dem Fiesole verwandten Anmutli einen bestimmenden Einfluss auf die
zeitgenössischen Maler übte. Es fehlt dort nicht an Wandbildern
untergeordneter Art, welche die Abkommenschaft von Benozzo ver-
rathen. Der erste Künstler von selbständiger Bedeutung ist Niccolö
Alunno, der bei immerhin noch mangelhafter Gestaltung die umbrische
Gefühlsweise, die der früheren Richtung Benozzo's nicht so fern steht,
zum Ausdruck bringt. Sein frühestes Bild in S. Francesco zu Diruta,
südlich von Perugia auf der Strasse nach Todi, eine thronende Madonna
mit zwei knieendcn Heiligen und dem Donator, tragt die Jahrzahl
1458. Für S. Antonio ebendort malte er eine Kirchenfahne, für den
Dom zu Assisi ebenfalls ein Altarbild der Madonna, Anderes für ver-
schiedene Kirchen derselben Stadt. Ein grösseres Altarwerk, das eine
Madonna mit Heiligen darstellt, in sieben Tafeln vertheilt, wozu noch
sieben kleinere kommen, ist aus einer Klosterkirche von Cagli in die
Brera nach Mailand gelangt. Es trägt den Namen „Nic0laus Ful-
ginas" sammt der Jahreszahl 1465 und ist ein Beweis, wie weit dieser
Künstler hinter der Bewegung der Zeit zurückgeblieben war. Weit
besser ist eine Altartafel aus dem Jahre 1456, jetzt in der Pinakothek
zu Perugia, welche die Verkündigung darstellt (Fig. 127), zwar eben-
falls alterthümlich befangen, aber von liebenswürdiger Reinheit der
Empfindung. Hier waltet schon der sienesische Einfluss vor, besonders
in der etwas befangenen Bildung der Köpfe. Die Madonna kniet in
einem Betstuhl unter einem Baldachin von mittelalterlicher Form,
während die den Raum abschliesscnde Wand einen schüchternen Ver-
such in Renaissanceformen verräth. So spiegelt auch das architekto-
nische Beiwerk das Schwanken zwischen alterthümlicher Auffassung
und den Formen des neuen Stiles. In traditioneller Weise kniet die
Brüderschaft der Annunziata, welche das Bild bestellt hat, von ihren
Schutzpatronen empfohlen, in winzigen Figürchen im Vordergrunde,
währendin der Luft Gottvater erscheint, der, von musizirenden Engel-
chören umgeben, die Taube des h. Geistes herabsendet. Es ist ein
Bild, das ungefahr auf dem Standpunkt der gleichzeitigen Sienesen
steht und mehr durch anspruchslose Feinheit der Empfindung als durch
künstlerische Vollendung anzieht. Aus demselben Jahre stammt ein
grosses reichgegliedertes Altarwerk, das noch völlig die mittelalterliche
Anordnung bewahrt, in der Galerie des Vatikan, das wieder mehr
von den Schwächen des Künstlers zeigt. Auffallend ist hier bei der