Kapitel.
Umbrisch-toskanische
Schule.
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kleinen Bildern der Verkündigung, der Geburt Christi und der An-
betung der Könige, ungemein keck und kräftig ausgeführt. Nicht
weniger werthvoll in der Sammlung der Akademie, Galerie der kleinen
Gemälde Nr. 1, eine kühn behandelte Predella mit dem Abendmahl,
dem Gebet zu Gethsemane und der Geisselung Christi. Auch im
Louvre sieht man unter Nr. 402 ein interessantes Predellenbildchen
der Geburt Maria, voll Energie der Bewegungen, tief und kräftig ge-
malt, mit keck aufgesetzten Lichtern.
Von manchen andren Altartafeln des Meisters, die man sonst
noch in Galerieen antrifft, nehmen wir Umgang, um mit einigen
Worten jene andre Gattung von Bildern zu erwähnen, Welche den Stoff
aus dem klassischen Alterthum schöpft. Von den für Pandolfo Petrucci
ausgeführten Fresken sind einige, auf Leinwand übertragen, in der
Akademie von Siena aufbewahrt: des Aeneas Flucht aus Troja, und
eine Scene aus der römischen Geschichte, wo Gefangene vor einen
thronenden Feldherrn geführt werden. Diese ist durch treffliche nackte
Aktfiguren anziehend, während die Flucht aus Troja in jenem naiven
Mischstil erzählt ist, den wir an Benozzo Gozzoli kennen. Signorelli
erinnert hier in der That an diesen, auch in der etwas dekorativen
Flüchtigkeit der Behandlung. Zwei andre dieser Bilder, der Triumph
Amors und Coriolan vor Rom sind in die Sammlung Barker nach
London gekommen. Üngleich höher steht ein neuerdings in das
Museum von Berlin gelangtes Bild, das als die Schule des Pan be-
zeichnet wird. (Fig. 125.) Es ist wahrscheinlich für Lorenzo de' Medici
gemalt worden, wie denn derselbe Gegenstand sich auch unter den
Fresken des Palazzo del Magniüco befand. Dies Bild, rauh und uner-
freulich in der Farbe und nicht mehr in gutem Zustande, ist doch
unschätzbar wegen der reinen poetischen Stimmung und der grossartigen
Freiheit in Behandlung des Nackten. In ziemlich lockerem Gefüge grup-
piren sich fünf Gestalten um den in der Mitte thronenden Pan: ein auf
der Flöte blasender Jüngling, dem ein bedächtig abwägender Mann
entspricht, während vorn ein Alter, auf den Stab gestützt, nach einer
herrlichen Frauengestalt hinüberblickt, die man wohl als die Nymphe Echo
aufzufassen hat, da sie mit einem Rohre die Töne aufzufangen scheint,
welche ein am Boden liegender Jüngling seiner Rohrflöte entlockt. Die
reine Schönheit jugendlicher Gestalten, der poetische Zauber träume-
rischen Versunkenseins verleiht diesem Werke eine hohe Bedeutung.
Von Schülern Signorellfs ist nicht viel zu melden; er hat nur
unbedeutende Gehülfen neben sich gehabt. Dagegen ist seine Einwir-