Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 1)

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Buch. 
Frührenaissance. 
Die 
Cortonescn. Zur vollen Freiheit seines Wesens gelangt er aber erst 
bei den Wandgemälden. Da er hier die letzten Dinge darzustellen 
hatte, so konnte er mit vollen Zügen die ganze Tiefe seiner anato- 
mischen Kenntnisse zur Geltung bringen. Zunächst schuf er sich durch 
ein System gemalter Pilaster und Friese voll geistreicher Arabesken, 
grau auf Goldgrund, eine Gliederung der grossen Flächen in einzelne 
rechtwinklige Felder, die durch prachtvolle Friese von den grossen 
Bogenfeldern getrennt werden. In die unteren Wandfelder verlegte er 
Medaillons mit Bildnissen Dante's, Virgil's und anderer bedeutender 
Männer, die er mit kleineren auf dieselben bezüglichen Darstellungen 
aus Dante's Inferno, aus Virgil's Aeneis u. dgl. schmückte. Die 
Zwischenräume bedeckte er mit einer solchen Fülle phantastischer 
Groteskcn, dass kein Werk des ganzen 15. Jahrhunderts auch nur 
annähernd einen ähnlichen Reichthum zeigt. Es ist die übersprudelndc 
Erfindungsgabe der Frührenaissance in ihrer berauschenden Üeppigkeit, 
zugleich das stärkste Zeugniss von der Vermischung des Christlichen 
mit dem heidnisch Profanen, das freilich der Begeisterung der damaligen 
Zeit nicht im Lichte des Profanen erschien. Diese Darstellungen sind 
ebenfalls grau auf goldnem Grunde, der mit bunten Arabesken durch- 
zogen ist, ausgeführt. 
Den Beginn der Hauptdarstellungen bildet links die Erscheinung 
des Antichrist (Matth. 24. 24). Es ist eine unheimlich dämonische 
Gestalt, die, auf einem Postament stehend, unter Einilüsterung des 
Teufels das Volk zu verführen sucht. Unvergleichlich wahr ist der 
mannigfach abgestufte Ausdruck hingerissenen Lauschens in den Zu- 
hörern; so namentlich der junge Mann, der die Arme in die Hüften 
stützt und den Kopf halb zur Seite wendet, um besser zu verstehen. 
Daneben links eine Gruppe voll Grausen, wo aus dem Himmel Strahlen 
niederfahren, um den Satan und seine Genossen zu zerschmettern. 
Gruppen von disputirenden Mönchen, von heilungsuchenden Kranken 
füllen den Mittelgrund, wo man einen prachtvollen Tempel mit Säulen- 
hallen die Scene abschliessen sieht. Vorn in der linken Ecke hat der 
Maler sich selbst und Fiesole dargestellt. Das zweite Bild derselben 
Wand bringt im herrlichsten Gegensatz zu dieser ßcene des Entsetzens 
die Auserwählten, die in schön bewegten Gruppen mit dem Ausdruck 
sehnsuchtsvollen Verlangens hinaufschauen, wo schöne Engel sich zu 
ihnen neigen, um sie zur Seeligkeit empor zu fuhren, andere einen 
ewigen Frühling von Rosen über sie ausschütten, während ein Chor 
auf Wolken sitzender Engel ein himmlisches Concert anstimmt. Der
	        
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