Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 1)

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Buch. 
Frührenaissance. 
das sich mit einem lieblichen Thale umbrischen Charakters öffnet; 
sodann wie der erblindete Patriarch mühsam mit seinem Stabe sich 
den Weg sucht; endlich wie er von den Engeln bestattet wird. Be- 
zeichnend für Signorelli sind die beiden Jünglinge im knappen Zeit- 
kostüm, welche die vorderen Gruppen einschliessen; nicht minder die 
herrliche sitzende Gestalt eines nackten jungen Mannes, der nur dazu 
da ist, um die anatomischen Kenntnisse des Meisters in Erinnerung zu 
bringen. Für anmuthige Abwechselung hat er sodann durch die schönen 
Gruppen von Jungfrauen, Müttern und Kindern gesorgt, welche den 
Vordergrund füllen. Doch ist nicht zu leugnen, dass die Composition 
etwas gedrängt erscheint und nicht die freie Grösse eines Ghirlandajo 
(vgl. Fig. 104) erreicht. 
Von hier aus scheint Signorelli sich wieder nach seiner Vater- 
stadt gewandt zu haben, wo er so sehr in verdientem Ansehen stand, 
dass er während der langen Dauer seines Lebens nicht weniger als 
siebzig Mal zu bürgerlichen Ehrenämtern erwählt wurde. Im Jahre 
1488 schenkte ihm Citta di Castello das Ehrenbürgerrecht, und 1491 
berief man ihn nach Florenz, um seinen Rath wegen der Dombaufacade 
zu hören. Auch in Volterra betraute man ihn mit ansehnlichen Auf- 
trägen, sodann wurde er 1498 nach Siena berufen, wo er für den 
Herrscher der Stadt Pandolfo Petrucci den Palazzo del Magnifico mit 
Fresken aus dem antiken Mythos und der Geschichte zu schmücken 
hatte. In diese Zeit (1497) fällt auch die Ausführung eines Fresken- 
cyclus aus der Legende des h. Benedict in dem benachbarten Kloster 
Monte Oliveto. Diese im westlichen Flügel des Kreuzganges aller- 
dings sehr flüchtig dekorativ ausgeführten Werke haben stark gelitten, 
doch erkennt man noch die energische Hand des Meisters. Besonders 
die Scene, wo Totila sich vor dem h. Benedict beugt, ist durch die 
Fülle jugendlicher Krieger-gestalten in dem knapp anliegenden bunten 
Kostüm der Zeit und durch die grossartigen Gewandfiguren des h. Bene- 
dict und seiner Begleiter ausgezeichnet. Ein anmuthiges Wirthshaus- 
idyll von realistischer Lebendigkeit bietet die Scene, wo der Heilige 
mit einem Klosterbruder zu Gaste ist bei zwei armen Mädchen, deren 
Gedanken er erräth. Hier wie überall fehlt es nicht an einzelnen 
weiblichen Gestalten, die in dem rundlichen, Weichen Typus der Köpfe 
die umbrische Gefühlsweise des Meisters verrathen.  Von dort begab 
er sich, wie Vasari bezeugt, nach Florenz, WO er für Lorenzo de' Medici 
arbeitete und auch andre Auftrage ausführte. 
Von 1499 an treffen wir ihn dann in Orvieto, wo er die von
	        
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