Volltext: Geschichte der Italienischen Malerei vom vierten bis ins sechzehnte Jahrhundert (Bd. 1)

Kapitel. 
Umbriscll-toskanische 
Schule. 
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ein starker Drang nach der Herrlichkeit des klassischen Alterthums, 
dem er nicht bloss in selbständigen Schöpfungen Ausdruck verleiht, 
sondern sogar in Arbeiten kirchlichen Inhalts eine Stätte zu ver- 
schatYen weiss. , 
Vasari, der als Knabe den Meister in seinem älterlichen Hause 
zu Arezzo gesehen hat, berichtet uns, dass derselbe als Schüler des 
Piero della Francesca die Kunst erlernt habe. In der That bezeugen 
dies auch deutlich seine Jugendwerke, unter denen vielleicht keines 
diesen Zusammenhang so bestimmt ausspricht wie das köstliche kleine 
Bild der Geisselung Christi, welches aus einer Kirche von Fabriano in 
die Brera nach Mailand gekommen ist. Bewundernswürdige Feinheit 
der Zeichnung, Kühnheit der Bewegungen und Verkürzungen, volle 
Meisterschaft in der Beherrschung des Nackten verbindet sich mit einer 
bei Signorelli seltenen koloristischen Vollendung. Wie prachtvoll wirkt 
im Gegensatz zu der goldigen Klarheit des Nackten die Figur des 
jungen Ritters in rothem Barett, blauem Wamms und rothen Hosen! 
Das Bild trägt die Bezeichnung „Opus Luce Cortonensis". Von ähn- 
licher Feinheit malerischer Behandlung und ohne Frage aus gleicher 
Frühzeit ist ebendort die aus derselben Kirche stammende, wunder- 
liebliche Madonna mit Engeln, welche dem Christuskinde die Brust 
giebt; ein Cabinetstück, wie er deren Wenige geschaffen. Hier ist er 
noch überwiegend Ümbrier. 
Signorelli scheint lange bei seinem Meister geblieben zu sein und 
sich dann nach Florenz begeben zu haben, um seine künstlerische An- 
schauung durch das Studium der dortigen Werke zu erweitern. Die 
Fresken, welche er, Wohl noch vor 1478, in der h. Kapelle zu Loreto 
gemalt hat, verrathen bereits den Einfluss der florentinischen Kunst; Es 
sind Engel, Apostel, Evangelisten und Kirchenvater, grossentheils frei- 
lich durch den Weihrauch verdunkelt. Sodann wurde Signorelli von 
Sixtus IV. nach Rom berufen, um im Wettkampf mit den bedeutend- 
sten Meistern der Zeit die sixtinisehe Kapelle mit Fresken zu schmücken. 
Er malte hier die letzten Thaten Mosis und sein Ende. (Fig. 121.) 
Man sieht hier deutlich, wie er mit vollem Einsetzen seiner Kraft 
gestrebt hat, an freier Lebensfülle und an rhythmischer Ordnung sich 
Ghirlandajo und Perugino ebenbürtig zu beweisen. Den Vordergrund 
des Bildes füllen zwei Scenen, die Verleihung des Hirtenstabes an 
Aron und die Verkündigung des Gesetzes an das Volk. Im Hinter- 
grunde der weit sich öffnenden Gebirgslandschaft schildert er, wie der 
Engel dem Moses vom Gipfel eines Felsen das gelobte Land zeigt,
	        
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