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Buch,
Die Frührenaissance.
der Köpfe, das Alles wirkt im Zusammenklange wie eineRausch himm-
lischen Entzückens. Minder ansprechend ist die Gestalt Christi, in
dessen Gesichtstypus und Körperform etwas Schweres und Breites den
Eindruck schwächt. Die Farbenwirkung in klaren, flüssigen, goldig
warmen Tönen ist von hohem Reiz.
In wesentlich verschiedener Richtung zeigt sich der Künstler in
einem anderen wohlerhaltenen, aber von der Wand abgelösten und auf
Leinwand tibertragenen Fresko, welches mit der durch Sixtus IV. be-
gründeten vatikanischen Bibliothek zusammenhängt, jetzt in der Galerie
des Vatikans aufgestellt. Man sieht hier den Papst, umgeben von seinen
Hofleuten und den. beiden Nepoten Pietro Riario und Giuliano della
Rovere, dem späteren Papst Julius 11., auf prächtigem Sessel tlironen
und dem vor ihm knieenden Platina die Würde des Bibliothekars ver-
leihen. Auffallend trübe und schwer in den Farbentönen, Wirkt das
Bild gleichwohl durch die einfache Grösse der Auffassung, welche aus
der blossen Ceremonienscene ein wahres Geschichtsbild macht. Gehoben
Wird dieser Eindruck noch durch die herrlichen Verhältnisse der hohen
Halle mit der reichen Cassettendecke, welche den Saal der Bibliothek
darstellt und den Künstler als einen der ersten Meister architektonisch-
perspektivischer Darstellung zu erkennen giebt. (Fig. 120.)
Dies sind die einzigen Schöpfungen, welche sich von Melozzo in
Rom nachweisen lassen. Dass er aber dort in der durch Sixtus IV.
gegründeten Akademie von S. Luca als angesehenes Mitglied eingetragen
war, beweisen noch jetzt die Akten. In seiner Vaterstadt Forli sieht
man jetzt in der Pinakoteca noch ein merkwürdigesFresko von seiner
Hand, welches in frappant-realistischer Behandlung einen Gewürzkrämer-
lehrling darstellt, der in grossem Eifer mit beiden Händen etwas in
einem Mörser zerstösst. An seiner ursprünglichen Stelle in einer
Mauerblende über dem Laden muss dies Bild einen völlig täuschenden
Eindruck gemacht haben. Wie Holbein einst ein Schulmeisterschild
gemalt hat, so hielt es Melozzo, obwohl er für die höchsten Würden-
träger des Staats und der Kirche gearbeitet hatte, nicht unter seiner
Würde, den Laden eines Krämers mit seiner Kunst zu schmücken.
Weiter darf man ihm wohl die acht Prophetenbilder in der Kuppel
der Cappella del Tesoro zu Loreto zuschreiben, die ebenfalls durch
meisterliche Verkürzung und kühnen, freien Stil sich auszeichnen.
Im Schloss Windsor sieht man die Darstellung des thronenden Her-
zogs Federigo von Urbino, neben welchem sein noch junger Sohn
Guidobaldo steht; beide lassen sich von einem würdigen Manne aus