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Buch.
Die Frührenaissance.
Federigds und seiner Gemahlin Battista Sforza. Beide sind im Profil
einander gegenüber gestellt, sie mit eigenthümlich blödem Ausdruck
des nichts Weniger als schönen Gesichts, das besonders durch den
Mangel der Augenbrauen etwas Langweiliges erhält; er mit der seltsam
hakenförmigen Nase und dem Stiernacken wie aus Holz geschnitzt,
aber wahre Wunder in schärfster Durchbildung der Form. Ausserdem
bei der Dame durch den Perlenschmuck des Halsbandes und der Kette
und durch das mit Bändern und einem Schleier durchflochtene Haar
von einer an die van Eyck erinnernden Feinheit. Den Hintergrund
bildet eine miniaturartig behandelte Landschaft. Merkwürdiger sind
die Rückseiten, wo man Federigo als römischen Triumphator auf einem
von zwei Schimmeln gezogenen Wagen von der Victoria gekrönt, von
den vier Kardinaltugenden begleitet sieht, während seine Gemahlin
auf einem ähnlichen Wagen sitzt, von zwei Einhörnern, dem Symbol
der Keuschheit, gezogen, ebenfalls von vier Tugenden umgeben. Auch
diese Werke sind von grösster Schärfe und miniaturhafter Feinheit.
Piero, welchen Luca Pacioli1494 in der Dedikation seines Trak-
tats de Arithmetica an Herzog Guidobaldo von Urbino „il monarca
alli tempi nostri de la pictura" nennt, wurde im hohen Alter arbeits-
unfähig, wenn er auch nicht, wie Vasari angiebt, erblindete. Er scheint
im Alter von 86 Jahren 1509 gestorben zu sein. In seinen späteren
Jahren wurde er noch durch Herzog Borso nach Ferrara berufen, um
den Palast Schifanoia mit Wandgemälden zu schmücken. Sind diese
allem Anscheine nach untergegangen, so sieht man doch in dem grossen
Saale des Palastes in den neuerdings wieder aufgedeckten Wandgemäl-
den Einflüsse seines Stils, die sich mit denen Mantegna's kreuzen. Es
sind Triumphzüge der Götter und zwar der Minerva, der Venus und
des Apoll,_verbunden mit den Zeichen des Thierkreises, durch Feinheit
der Zeichnung, Schärfe und Bestimmtheit der Durchbildung und lebens-
volle Einzelheiten ausgezeichnet.
Gewisse Bilder, die dem Piero nahe stehen, pflegt man unter den
halb mythischen Namen des Fra Ctmzevale (Bartolomzneo Corradini) zu
stellen. So in der Brera zu Mailand eine Madonna, welche von
Herzog Federigo von Urbino in vollem Waifenschmuck verehrt wird.
Vier Engel und sechs Heilige bilden den Hofstaat der Himmelskönigin.
Das Bild ist in einem merkwürdig gedämpften stumpfen bräunlichen
Ton durchgeführt; die Madonna und die Engel haben etwas Stilles,
Gelassenes, das an umbrische Gefühlsweise erinnert; die grau gemalte
Architektur des Thrones ist von einer an Piero erinnernden Meisterschaft.