Kapitel.
Um brisch-toskanisch e
Schule.
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Anatomie des Pferdes. In der Vision Constantins, dem der Engel im
Schlaf die Kunde von dem h. Kreuze bringt, hat Piero einen Licht-
effekt durchgeführt, der von bedeutender Kenntniss des Helldunkels
zeugt und als das erste Beispiel dieser Art in der italienischen Kunst
Beachtung verdient. Im Tode Chosroes' sind besonders die Porträt-
gestalten, trotz einer gewissen Phantastik in den Kleidungen, voll
prägnanten Lebens. In der gesammten F arbenwirkung wie in der
energischen Kraft der Charakteristik, hinter der das Element der An-
muth und Schönheit freilich zurücktritt, nimmt der ganze Cyclus eine
hervorragende Stellung ein. Ausser diesem Werke sieht man im
Dom einebenfalls bedeutendes Freskobild der Magdalena in einer reich-
gemalten Nische, ebenfalls eine Arbeit von wuchtiger Grossartigkeit.
Mehrere Arbeiten finden sich sodann in seiner Vaterstadt Borgo
S. Sepolcro. Vor allem in der Spitalkirche ein grosses Altarwerk
der Madonna della Misericordia; darunter in vier Bogenfeldern die
Heiligen Johannes der Täufer und Sebastian, Bernhardin und Antonius;
seitwärts die ehemalige Predella mit der Verkündigung und acht ein-
zelnen Heiligen; das Ganze bekrönt von einem Crucifixus mit Maria
und Johannes. Im Innern des Schreins eine {igurenreiche Darstellung
der Bestattung Christi. Auch hier überwiegt in der Charakteristik der
Gestalten und im Typus der Köpfe, besonders aber in der energischen,
an Castagno erinnernden Behandlung, die realistische Tendenz, die
auch in der braunen Carnation des in Celfarbcn ausgeführten Bildes
sich verräth. Ein Freskobild der Auferstehung Christi im Monte
Pio, dem Palazzo del Commune, ist besonders durch die irappanten
Verkürzungen der schlafenden Wächter bemerkenswerth. In der Ge-
stalt Christi überwiegt Wieder ein niederer Realismus, der sich haupt-
sächlich in anatomischen Studien gefällt. Ebendort vom Jahre 1460
ein Freskobild des h. Ludwig von Toulouse, das stark gelitten hat.
Aus Borgo S. Sepolcro stammt auch das grosse überaus bedeu-
tende Altarbild der Taufe Christi in der Nationalgalerie zu London.
Obwohl es durch Abreiben stark in der Farbenwirkung beeinträchtigt
ist, erkennt man in demselben doch die ganze Kraft des Meisters.
Christus steht unter dem Schatten eines Granatbaums im Jordan,
Während Johannes das Wasser über sein Haupt ausgiesst. Drei Engel
zur Linken assistiren der heiligen Handlung, andre Figuren in orien-
talischem Kostüm sieht man weiter hinten am Ufer des Flusses. Sehr
originell ist die Gestalt eines anderen Täuflings, der hinter Johannes
steht und in lebendiger Bewegung das Hemd über den Kopf zieht,