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Buch.
Frü hrenaissance.
seiner ersten Gemahlin sich scheiden lassen, die zweite angeblich ver-
giftet, die dritte, eine Tochter des Francesco Sforza, erwürgt und sich
zum vierten Mal mit der schönen und geistreichen Isotta vermählt,
die durch ihre ausgezeichnete Bildung und Liebenswürdigkeit einen
mildernden Einfluss auf ihn gewann. Ihr zu Ehren, sich und den
Seinigen zum Ruhm liess er durch Leo Battista Alberti die gothische
Kirche des h. Franziskus zu Rimini mit einer prachtvollen Marmor-
dekoration innen und aussen völlig im Sinne eines antiken Mausoleums
erbauen. Neben der überschwenglichen Pracht plastischer Dekoration
sieht man in der Reliquienkapelle über dem Eingang ein Freskobild
Piero's, welches den Gewaltherrscher im Profil, von zwei Lieblings-
doggen begleitet, vor dem Throne des h. Sigismund knieend darstellt,
eingerahmt von einer meisterhaft durchgeführten Renaissance-Architektur.
In schneidender Lebenswahrheit, mit bewundernswürdiger Scharfe der
Zeichnung und Modellirung, in unerbittlicher Nüchternheit und Wahr-
heit, ohne einen Hauch von religiöser Empfindung, tritt das Ganze
vor uns hin. Dem Heiligen ist sogar in diesem scharfen Luftzug des
Realismus der Nimbus abhanden gekommen. Die Färbung ist klar
und fein in einem gelblich warmen Ton durchgeführt.
Zur Höhe dramatisch-historischer Darstellung erhebt sich sodann
Piero in einem seiner Hauptwerke, dem Freskencyclus im Chor von
S. Francesco zu Arezzo. Er hatte hier die Legende vom Kreuze
Christi darzustellen, und wenn man diese Werke mit der Behandlung
desselben Gegenstandes durch Angelo Gaddi (S. 148) in Sta. Croce
vergleicht, so erkennt man sofort den scharfen Gegensatz der Zeiten.
Bei Piero liegt durchaus der Nachdruck auf der naturwahren realisti-
schen Entwicklung der Gestalten und der Gruppen, was besonders in
den Scenen vom Tode und von der Bestattung Adams hervortritt.
Die Legende vom h. Kreuz knüpft nämlich in tiefsinniger Weise an
die Sage, dass aus dem Baume des Paradieses das Kreuz Christi abÄ
stamme. So wird denn Adams Tod als Ausgangspunkt für die Legende
vorgeführt. Hier vor Allem konnte der Künstler seine gediegene
anatomische Kenntniss des menschlichen Körpers zur Geltung bringen.
Der eine Sohn Adams, der nach vorn gebeugt als Zuschauer sich mit
übergeschlagenen Beinen auf seinen Stab stützt, ist ein Motiv, welches
Signorelli später bei seinen Fresken in der sixtinischen Kapelle ver-
werthete. Von den übrigen Scenen ist besonders die Schlacht, in
welcher Kaiser Heraclius das h. Kreuz vom Perserkönig Chosroes
zurückerobert, voll kühner Bewegung, bei allerdings noch mangelhafter