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Buch.
Die
ihrenaissance.
Throne knieen die Heiligen Dominicus und Franziskus, jeder zwei in
winziger Kleinheit dargestellte, ebenfalls knieende Mitglieder der Brüder-
schaft empfehlend. In allen diesen Gestalten ist viel Befangenes,
namentlich die Gewänder leiden an einem steifen und kleinlichen Falten-
wurf; dennoch rühren der Ernst und die Innigkeit des Ausdrucks, und
die mannigfaltige Charakteristik der Köpfe spricht von einer tüchtigen
Aufnahme tlorentinischer Kunstrichtung. Was aber dem Werke trotz
unleugbarer Mängel einen selbständigen Werth verleiht, ist der Hauch
poetischer Empfindung, welcher die ganze Composition durchdringt.
Neben dem Thron ziehen sich niedre Marmorbrüstungen hin, welche
Wiederum von einer zweiten, höheren Schranke eingefasst werden.
Hinter diesen beiden Ümfassungen hat der Künstler, wie in den Chor
einer Kirche, eine ganze Schaar herziger Engelknaben vertheilt, die
mit grösstem Eifer aus Leibeskräften Gesänge zu Ehren der Madonna
anstimmen. Zwei ganz kleine, offenbar in der musikalischen Ausbil-
dung noch nicht so weit vorgeschrittene, schauen wenigstens neugierig
über die Balustrade herein. Auch an diesen Engelgestalten ist, wenn
man namentlich die sehr langen Hälse beachtet, in der Zeichnung
Manches auszusetzen, aber es ist ein solcher Ausdruck holden unschul-
digen Kinderjubels in ihnen, dass man die Mangel bald vergisst. Der
Einfluss Benozzds, der in diesen Gegenden tbätig war, ist unverkenn-
bar, wie denn auch die klare, warme und gesättigte Tempera an ihn
und Fra Filippo erinnert. Ein üppiger Rosengarten umgiebt das
Ganze und eine dichte "Pergola mit Laubgewinden dient der festlichen
Versammlung als Baldachin. Es giebt wenig Bilder der Zeit, die einen
solchen Eindruck sinniger Poesie machen. In der Predella sieht man
die Gefangennehgmung, die Kreuztragung und die Kreuzigung Christi,
daneben Petrus Martyr und Thomas von Aquino. Das Bild tragt die
Jahrzahl 1447 und die Bezeichnung: „Opus Johannis Bochatis de
Chamerenoa.
Ungleich bedeutender allerdings ist ein etwas jüngerer Künstler,
der zu den einiiussreichsten Vertretern dieser Gruppe gehört: Piero
della Francesca, eigentlich Pietro di Benedetto degli Franceschi. Um
1423 wurde er in Borgo S. Sepolcro, einer kleinen Stadt im oberen
Tiberthal an den weinbedeckten südwestlichen Abhängen der um-
brisehen Apennineidkette geboren. Wo er seine erste künstlerische
Erziehung erhalten hat, wissen wir nicht; aber mit sechzehn Jahren
iinden wir ihn in Florenz bei Domenico Veneziano, dem er bei dessen
Arbeiten in Sta. Maria nuova als Lehrling zur Hand ging. Ohne