Kapitel.
V01]
Die Schule
Siena.
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macht, gleich seinen Henkersknechten, einen geradezu parodistischen
Eindruck. Dabei ist die Zeichnung der Gestalten ohne Verhältniss
und Richtigkeit, die Färbung hart und unerfreulich. Nicht besser ist
ein Altarbild mit demselben Gegenstand vom Jahre 1491 in der vierten
Kapelle des rechten Seitenschitfs der Servi. Und doch fehlt es bei
allen Verzerrungen nicht an einzelnen gut gedachten Zügen, wie denn
eine junge Frau links mit zwei Kindern einen leisen Anklang in Form
und zarter Färbung an Fra Filippo bietet. Ein drittes Bild derselben
Art sieht man im Museum zu Neapel.
Im Dom zu Pienza enthält die Kapelle des rechten Kreuzsehiffs
ein Altarbild der thronenden Madonna mit vier Heiligen, von würde-
voller Haltung, aber etwas roher Ausführung. Zu den Seiten links
Matthäus und Katharina, rechts Bartholomäus und Lucia. Darüber in
der Lünette eine Geisselung Christi, wo die Figuren der heftig aus-
schreitenden Henker wieder in's Grimassenhafte fallen. Auch hier die
Inschrift „Opus Matei Joannis de Senis". Im Museum zu Berlin
schreibt man ihm unter Nr. 1126 und 1127 zwei Madonnenbilder zu,
welche zu roh und mittelmassig für ihn sind. Im Jahre 1483 entwarf
er für den Fussboden des Doms die Gestalt einer Sibylle. Er starb 1495.
Zu den ganz geringen handwerksmassigen Malern gehört endlich
Guidoccio Cozzarelli, der für den Fussboden des Doms 1483 die libysche
Sibylle entwarf und sowohl Miniaturen als Altartafeln malte. Ein
bezeichnetes Bild vom Jahre 1482 besitzt die Sammlung der Akademie,
wo noch mehrere seiner geringen Arbeiten sich finden.
Einer der letzten Nachzügler dieser antiquirten Kunstrichtung ist
Bernardino Fungai, angeblich um 1460 geboren und 1516 gestorben.
Als Schüler des Benvenuto di Giovanni folgte er der Richtung seines
Meisters, wurde indess auch durch Matteo beeinflusst. Er erhebt sich
entschieden über das Durchschnittsmaass seiner Landsleute und nimmt
zu Gunsten seiner Kunst von dem' damals in Siena thätigen Pintu-
ricchio Einwirkungen auf. Im Chor der Servi sieht man ein grosses
Bild der Krönung Maria, dessen Hauptmotiv an Fiesole anklingt. Die
Engelschaaren in ihrer anmuthigen Mannigfaltigkeit, ebenso die wür-
digen Gestalten der sechs Heiligen, welche das Bild abschliessen, sind
edel, das klare Kolorit gemahnt an Fra Filippo. Auch in Zeichnung,
Modellirung und Bewegung gehört das Bild zu den erfreulichsten
sienesischen Arbeiten jener Zeit. Eine andre Krönung der Madonna
von seiner Hand enthält der Altar in der Kirche Fontegiusta. Die
Scene geht hoch in den Wolken vor sich mit dem Ausblick auf eine