Kapitel.
Siena.
Schule von
Die
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schaft mit der byzantinischen, dass sie so wenig Geist und Leben und
so viel Technik besitzt. Ünd dabei darf man nicht vergessen, dass
sie auch hierin starr an der Ueberlieferung des Temperaverfahrens
festhält und sich gegen die technischen Fortschritte der Zeit lange
absperrt.
Ungleich bedeutender ist Matteo di Giovannz", der unter 2,11811
gleichzeitigen Sienesen am meisten auf die Entwicklung der neuen Zeit
eingeht und in ruhigen Scenen, namentlich im Andachtsbilde, sehr Er-
freuliches leistet. Starker als seine übrigen Kunst- und Landsgenossen
ist er von den Eindrücken der Horentinischen Malerei bewegt, und
wenn auch eine gute Dosis lliokalpatriotismus dazu gehört, um ihn
den sienesischen Ghirlandajo zu nennen, so hat er doch in der That
mehr Natur und Leben als die Uebrigen. Nur bei bewegten Scenen
und bei Schilderungen leidenschaftlicher Affecte fällt er in's Bodenlose,
ja selbst in's Lächerliche. Geboren als Sohn eines Bürgers von Borgo
San Sepolcro um 1435, tritt er 1453 als Zugezogener mit seinem
Gehülfen Giovanni oli Pietro in Siena auf, wo er 1457 in der Kapelle
des h. Bernhardin im Dom arbeitete. Bald wurde er dann in Siena
ansässig und erhielt eine Menge Aufträge, wie aus zahlreichen noch
vorhandenen Bildern hervorgeht. Zu seinen frühesten sicheren Arbeiten
gehört eine thronende Madonna in der Akademie vom Jahre 1470;
ebendort eine andre Madonna, von Engeln und vier Heiligen umgeben,
von holdseliger Weichheit und echt kirchlicher Stimmung. Weiterhin
ein ähnliches Bild (Fig. 118) in der Kirche der Madonna della
Neve, 1477s gemalt, ein Werk voll siisser Anmuth; fein und
lieblich besonders die Engel, welche dem Christuskinde Schneebälle
in einer Schaale darreichen, nach welchen dieses freundlich greift.
Auffallend ist, wie selbst hier noch dertMadonnenkopf Anklänge an
den byzantinischen Typus erkennen lässt. Er erhält dadurch das Ge-
präge einer gewissen müden Vornehmheit. Auch die Vorliebe für
reiche Gewandmuster und andere Zierlichkeiten ist den Sienesen aus
jener Kunstrichtung fortwährend eigen. In S. Domenißß Sieht man
aus dem Jahre 1479 eine thronende und von Engeln gekrönte h. Bar-
bara in der zweiten Kapelle links neben dem Chor, bezeichnet als
„Opus Matei de Senis", wiederum voll weicher Anmuth und doch
etwas alterthümlich befangen. Diese Gebundenheit des Stils verleiht
den sienesischen Bildern jene verschleierte Innerlichkeit, jene kirchliche
Stimmung, mit welcher sie noch völlig in der mittelalterlichen Zeit
stehen. Auch der Goldgrund, der bei diesen Werken stets festgehalten