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Die Frührenaissance.
seine Werke, die nicht die strengste kirchliche Kritik passiren konnten,
geopfert haben. Dennoch verharrte sein milder Sinn unausgesetzt bei
der Ausübung der Kunst, die er aber fast nur für religiöse Zwecke
verwendete. In seiner Vaterstadt gehörte er mit Recht zu den ange-
sehensten Künstlern und wurde bei allen bedeutenden Unternehmungen,
beim Facadenbau des Doms, bei der Wiederherstellung der Laterne
der Kuppel, bei Aufstellung von Michelangelds David zugezogen. Er
lebte bis tief in's sechzehnte Jahrhundert, und als er im Anfang des
Jahres 1537 hochbetagt starb und mit ihm der letzte Nachklang der
Kunst des 15. Jahrhunderts verhallte, war längst eine jüngere, Gene-
ration aufgetreten, die der Malerei ein neues Leben und eine kaum
geahnte Vollendung brachte.
Ein Zeitgenosse Lorenzo's war Piezo di Cosrimo, geb. 1462, der
Sohn eines Goldschmieds Lorenzo, aber nach seinem Lehrer und Pflege-
vater Cosimo Rosselli zubenannt. Bei diesem erlernte er die Kunst
der Malerei und begleitete ihn nach Rom, wo er bei den Wandgemälden
seines Meisters in der Sixtinischen Kapelle bei Ausführung der Bildnisse
und Landschaften verwendet wurde. In der Stellung eines Gehülfen
blieb er bei Rosselli bis zu dessen Tode imdahre 1506. Von ihm
besitzt die Galerie der Üffizien unter Nr. 1250 ein Tafelbild der
knieenden Madonna, über welcher die Taube des heiligen Geistes
schwebt, daneben als Zuschauer Johannes der Evangelist, Philippus,
Antonius und Petrus und die knieenden Heiligen Katharina und Mar-
garetha, ein Bild von tüchtigem architektonischem Aufbau, von gelblich
warmem, aber etwas disharmonischem Kolorit und von eigenthümlich
individueller Form der Köpfe. Die etwas derb gezeichneten Figuren
stehen in einer fleissig ausgeführten Landschaft, die den Einlluss des
Lorenzo di Credi verräth. An diesen erinnert auch die Technik, welche
bei Piero fast ausschliesslich die der Oelmalerci ist. Eine andre thronende
Madonna mit Heiligen und von Engeln umgeben, in der Sakristei der
Innocenti, vielleicht sein tüchtigstes Altarbild, lässt eine Anlehnung
an Filippino Lippi erkennen. Das Museum zu Berlin besitzt unter
Nr. 93 ein kleines Bild, welches die Begegnung Christi und Johannes
des Täufers als Knaben in einer interessanten phantastischen Felsen-
landschaft schildert. Es hat einen kräftigen Farbenton. Weniger
anziehend ist ein Gemälde des Louvre, Welches die Krönung Maria
darstellt. Doch fehlt es nicht an ansprechenden Einzelheiten, und im
Kolorit erkennt man Einflüsse des Andrea del Sarto.
Piero gehört zu jenen Künstlern, welche mit besonderer Vorliebe