Kapitel.
florentiner Schule.
Zweite
Generation.
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Thätigkeit hervor, welche den Sinn für Sorgfalt und Genauigkeit
der Ausführung, für Feinheit der Zeichnung und Modellirung und
für zierliche Ornamentik zu wecken geeignet war. Er kam dann in
die Werkstatt des Verrocchio, wo er sich mit Perugino und Lional-do
da Vinci begegnete, von denen er ebenfalls bestimmende Einflüsse
empfing. Wir erfahren durch die Vermögensangabe seiner Mutter vom
Jahre 1480, dass er damals als Gehülfe im Malen bei dem viel-
beschäftigten Meister angestellt War und dafür das bescheidene Jahr-
geld von zwölf Gulden empfing. Sein persönliches Verhaltniss zu
Verrocchio ,muss ein überaus herzliches gewesen sein, denn als dieser
1488 zum Sterben kam, ernannte er den Lorenzo zu seinem Testa-
mentsvollstrecker und vermachte ihm nicht bloss die Vorräthe der Werk-
statt an Metall und Steinen sowie seinen Hausrath in Venedig und
Florenz, sondern empfahl ihn auch zu seinem Nachfolger bei der Aus-
führung des Colleoni-Denkmals-
In Lorenz0's künstlerischen Schöpfungen begegnet uns derselbe
treue Sinn, die gewissenhafte Sorgfalt, die Wärme des Empiindens,
welche wir auch in seinem übrigen Verhalten antreffen. Sahen wir
bei Filippino Lippi eine kühne, leidenschaftliche Bravour, Welche ihn
bald über die Grenzen hinausriss und dem Manierismus in die Arme
trieb, so ist Lorenzo recht im Gegensatz dazu ein Künstler, der mit
fast pedantischer Sorgfalt nach solider Durchbildung und Vollendung
strebt, und dieser Tendenz bis zum letzten Augenblick seines Lebens
treu bleibt. Desshalb ist er ausschliesslich Tafelmaler und zwar gehört
er zu den ersten, welche dasOel als Bindemittel verwenden und durch
vollendete Zartheit, duftigen Schmelz, emailartigen Fluss eine kaum
zu übertreifende Harmonie und Farbenschönheit erreichen. Ohne
Zweifel hat Lionardo durch seine Studien auf ihn eingewirkt und ihn
die zarte Abstufung der Luftperspektive gelehrt, welche den landschaft-
lichen Gründen seiner Bilder einen hochpoetischen Reiz verleiht. Vasari
berichtet, Lorenzo sei in der technischen Ausführung mit unglaublicher
Sorgfalt verfahren, habe die Farben selbst gerieben, das Nussöl ge-
reinigt und destillirt und eine grosse Zahl von Farbenmischungen, bis-
weilen bis gegen dreissig, auf der Palette gehabt, zu deren jeder er
sich einen besondren Pinsel gehalten habe, um seinen Werken die
höchste Reinheit, Klarheit und Vollendung zu geben. Dieser Lauter-
keit der Technik entspricht die Reinheit der Empfindung, denn fast
ausnahmslos bewegt er sich im Gebiete des Andachtsbildes und weiss
diesen engen Kreis, zwar ohne besondere Genialität oder Selbständig-
Lübke, Italien. Malerei. I. 24