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Buch.
Die Frührenaissance.
Ausladungen der Gesimse und ihrer phantastischen Fackelträger auf
dem Bilde der Drusiana darf man Filippino Wohl den Vater des Barock-
stils nennen, Wegen der fahrigen manierirten Gewänder, Kostüme und
Gesichtsbildungen den Vorboten des Zopfs in der Malerei. Dennoch
fehlt es auch hier nicht an Zügen echter Empfindung und hoher dra-
matischer Gewalt. Die gebieterische Gestalt des Apostels, vor Welchem
der grausige Drache sich angstvoll zusammenkrümmt, contrastirt
herrlich mit dem wunderlichen Götzenbilde, an dessen Knie sich ein
katzenartiges Thier schmiegt, während sich an der andern Seite ein
Papagei niedergelassen hat. Ergreifend ist auch die tiefe Erschütterung,
mit Welcher der Götzenpriester sich vom Altare abwendet, die Ohn-
macht des Jünglings bei der Erscheinung des Drachen, die lebhaften,
wenn auch bisweilen etwas zu natürlichen Gebärden des Abscheus und
Entsetzens in den Umstehenden. Bei der Kreuzigung des Apostels
sind die Bewegungen der Henker, welche den Kreuzesstamm aufrichten
und an Stricken in die Höhe ziehen, zwar äusserst lebendig, die Ge-
stalten aber doch von einer zu niedrigen Charakteristik, Zeichnung
und Modellirung der Figuren von oberflächlicher Liederlichkeit. Man
sieht einen hochbegabten Künstler, der zum Manierismus herabsinkt,
weil er sich selber nicht zu zügeln vermag. Diese Richtung ist um
so auffallender, da sie der strengsten Gewissenhaftigkeit bei den übrigen
zeitgenössischen Werken gegenüber steht.
Für die Entwicklungsgeschichte Filippinds sind mehrere seiner
Tafelbilder besonders desshalb von Wichtigkeit, weil er dieselben öfter
datirt und mit seinem Namen versehen hat. So das für den Palazzo
pubblico ausgeführte Altarbild von 1485, jetzt in den Üffizien, welches
die thronende Madonna mit dem Kinde darstellt, von vier Heiligen
umgeben, ein grosses Hauptwerk, feierlich angeordnet und überaus
Heissig durchgeführt, die Madonna von etwas gleichgültigem Ausdruck,
die Nebenfiguren dagegen um so mächtiger. Nicht minder meisterhaft
ist das Votivbild einer thronenden Madonna der Cappella Nerli in
Sto. Spirito. Auch ein Altarbild in S. Micchele zu Lucca mit den
heiligen Rochus, Sebastian, Hieronymus und Helena gehört zu seinen
frühen und tüchtigen YVerken. Bedeutend ist auch das 1495 an
Ghirlandajds Statt für die Mönche in S. Francesco zu Prato gemalte
Altarbild, jetzt in der Pinakothek zu München. Es stellt den Auf-
erstandenen dar, der vor seiner Mutter kniet und ihr seine Wunden
zeigt, ein Werk voll tiefer Empfindung, aber etwas hart in der Farbe,
die Madonna von einem derben fast spiessbürgerlichen Typus. Die