III.
Kapitel.
Die
florentiner Schule.
Zweite
Generation.
359
rirtes erhalten. Dazu kommt, durch das zunehmende Studium des
klassischen Alterthums herbeigeführt, ein stärkeres Betonen antiker
Reminiscenzen. Vasari Weiss nicht genug sein Verdienst in Anwendung
von nantiken Trophäen, Fahnen, Helmen, TempelzielTathen, Vasen,
Hauptschmuck, seltsamen Harnischen, Togen, Fussbekleidungen, Dol-
chen, Schwertern und andern mannigfaltigen und schönen Dingen" zu
rühmen: es ist aber nicht zu leugnen, dass er dadurch manchen seiner
Bilder eine gewisse bunte phantastische Ueberladung gegeben hat, die
von der strengen und edlen Art, mit welcher Ghirlandajo solche Dinge
behandelt, sich stark unterscheidet. Auch im Uebrigen fehlt es in
seinen späteren Werken nicht an einer gewissen Manierirtheit des
Ausdrucks, wodurch die unleugbar hohe dramatische Kraft der Schil-
derung nicht selten Abbruch erleidet.
Zu seinen frühesten Arbeiten gehören vier kleine Tafeln mit
Darstellungen aus der Geschichte der Esther, jetzt im Palazzo Tor-
rigiani zu Florenz. Sie schmücken als sinnige Dekoration eine jener
Hochzeitstruhen, welche damals häufig solche künstlerische Ausstattung
erhielten und zum ersten Mal der Malerei die Gelegenheit zu einer
mehr novellistischen Darstellung boten, bei welcher antike Mythen und
Geschichten eine Hauptrolle spielten. Diese Bilder sind in heitrem
Farbenton, voll lebendiger Motive überaus zierlich durchgeführt. Sein
bedeutendstes Werk aus dieser früheren Zeit ist die wie es scheint
1480 gemalte grosse Altartafel in der Badia. In poetischer Wald-
einsamkeit sieht man den h. Bernhard, welchen die Madonna beim
Studiren aufsucht. (Fig. 111.) Liebevoll sanft, von schönen Engeln
begleitet wie eine vornehme Dame, die von ihren Pagen gefolgt wird,
naht sie sich ihm, der überrascht voll Hingebung zu ihr aufblickt und
vor Erstaunen fast die Feder fallen lässt, da sie mit der zarten Hand
das Blatt umwendet, auf Welchem er geschrieben hat. Der durchaus
portratartige, mit der stumpfen Nase und dem grossen Uhr nichts
weniger als schöne Kopf des Heiligen wird durch den innigen Ausdruck
religiöser Empfindung verklärt. Die Madonna (Fig. 112) und die
köstlichen Engel ihres Gefolges erinnern am meisten an Sandrds Ge-
stalten, zeigen aber lebendigere Mannigfaltigkeit des Ausdrucks. Eine
poetische Felsenlandschaft, wie sie mit solcher Feinheit keiner der
gleichzeitigen Künstler gemalt hat, bildet die Umgebung; vielleicht
die erste völlig naturwahre Landschaft in der ilorentinischen Kunst,
da wir selbst bei Ghirlandajo noch viel Conventionelles, namentlich in
den Felsbildungen antreffen. Der Hintergrund ist durch eine Gruppe