Kapitel.
florentiner
Die
Schule.
Generation.
Zweite
357
beweisen vier kleine Bilder der Sammlung Barker in London, 1487
zur Hochzeitsfeier des Pier Francesco Bini und der Lucrezia PüOCl
gemalt. Es sind zierliche Illustrationen der Novelle Boccaccids, welche
die Liebeswerbung des Nastagio degli Onesti erzählt. Einen novel-
listischen Charakter mit starken antiken Anklängen haben auch die
beiden kleinen Bilder der Üffizien, Welche die Heldenthat der Judith
und ihren Triumph in überaus lebendigen trefflich gezeichneten Sgenen
schildern. Dieser Reihenfolge gehören noch einige andre Darstellungen
vom Triumph der Liebe, der Keuschheit, der Zeit und der Gottheit,
im Oratorium von St. Ansano. Ein ähnlich anziehendes Bild vom
Triumph der Keuschheit sieht man in der Galerie zu Turin (Nr. 369),
ein Werk von köstlicher Feinheit. Diese Compositionen sind unter dem
Eindruck der Triumphe Petrarcafs entstanden. Ein meisterliches Ideal-
porträt der schönen Simonetta, der bekannten Geliebten Giuliands de'
Medici, ein völlig unbekleidetes Brustbild im Profil, befindet sich in
der Sammlung Reiset in Paris; das ebenfalls nackte weibliche Brust- '
bild im StädeYschen Institut zu Frankfurt dagegen, überaus: fein
durchgeführt mit wunderbaren goldenen Ringellocken, ist sicherlich
nicht, wie angegeben wird, die Gemahlin Lorenzo's de, Medici, Lucrezia
Tornabuoni, denn schwerlich hätte sich eine vornehme Florentinerin
in dieser Weise darstellen lassen. Eher dürfen wir dabei an ein Wesen
wie die bella Simonetta denken. Mit dem Namen dieser Dame wird
sodann ein weibliches Profilbildniss der Galerie Pitti belegt, das indess
zu spiessbürgerlich, nüchtern und nichts weniger als schön erscheint.
Auch die angebliche Lucrezia Tornabuoni im Museum zu Berlin,
ebenfalls im Profil dargestellt, ist etwas steif und trocken, aber gut
modellirt.
Sandro stand als Künstler in so hohem Ansehen, dass er von
Sixtus IV. zur Ausschmückung der Sixtinischen Kapelle nach Rom
berufen wurde. Er malte hier den Sturz der Rotte Kora und die
Vernichtung des Datan und Abiram in einer grossen {igurenreichen
Composition mit lebendigen, selbst leidenschaftlich bewegten Gruppen
auf reichem landschaftlichem Grunde. Sodann Moses Thaten und Ereig-
nisse in Aegypten (Fig. 110), wo besonders die Scene am Brunnen
den idyllischen Mittelpunkt in einer anmuthigen Landschaft bildet, und
die Erschlagung des Aegypters wieder einen Zug leidenschaftlichen
Affects verräth. Das dritte Bild, die Versuchung Christi und sein Sieg
über den bösen Feind, erhebt sich durch Kraft der Charakteristik und
Adel der Gestalten zu den bedeutenderen Werken dieses Cyclus.